Auf einen Blick
- Rekordzahlen von Mykoplasmen-Infektionen bei Kindern in der Schweiz
- Experten beobachten die Situation genau, keine Alarmsituation
- 39 Fälle im Juli, 53 im August
Überfüllte Spitäler, Maskenpflicht und Medikamentenengpässe – Situationen, mit denen wir und das Gesundheitssystem in den letzten Jahren kämpfen mussten. Jetzt sprechen Experten von einer neuen Herausforderung: Rekordzahlen von Mykoplasmen-Infektionen, die vor allem bei Kindern zu Lungenentzündungen führen können.
«Im Juli und August hatten wir am Universitäts-Kinderspital Zürich eine Rekordzahl von Mykoplasmen-Infektionen: 39 im Juli und 53 im August», sagt Patrick Meyer Sauteur (43), Infektiologe und Forschungsgruppenleiter am Kispi Zürich, zu Blick. «Vor der Covid-19-Pandemie hatten wir während der Mykoplasmen-Epidemien, die alle ein bis drei Jahre auftraten, etwa zehn positive Fälle pro Monat». Während der Pandemie verschwand die Infektionen fast vollständig. Kein Wunder: Lockdown, Maskenpflicht und weitere Massnahmen zeigten Wirkung.
Infektionen sind nicht schwerer, aber häufiger
Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Fälle prozentual schwerer werden. «Derzeit müssen nur etwa ein Drittel, bis die Hälfte der Fälle stationär behandelt werden. Dies vor allem wegen des zusätzlichen Bedarfs an Sauerstoff», so der Infektiologe.
Wieso dann aber die Rekordzahlen? Meyer Sauteur zu Blick: «Durch die vielen Infektionen sehen wir auch mehr Krankenhausaufenthalte.»
Grund für die vielen Infektionen sind ausgerechnet die starken Massnahmen während der Covid-Pandemie. «Seit Sommer 2023 sind die Mykoplasmen nach drei Jahren wieder aufgetaucht und treffen auf eine Bevölkerung, deren Immunität gegen diese Bakterien durch die lange Abwesenheit des Erregers geschwächt ist», erklärt der Infektiologe.
«Einmal husten reicht kaum aus»
Mykoplasmen sind Bakterien, die sich langsamer vermehren als andere Erreger. Deswegen treten sie erst verzögert wieder auf. «Wir hatten eine massive Häufung von Fällen im Sommer, aber die aktuellen Zahlen deuten darauf hin, dass sich die Situation jetzt im September abschwächt», so Meyer Sauteur. Man beobachte die Situation weltweit sehr genau. Im Moment müsste man sich keine Sorgen machen. «Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung.»
Der Erreger ist nicht sehr ansteckend. «Eine Übertragung erfordert einen engen und dauerhaften Kontakt, einmal husten reicht kaum aus», erklärt der Infektiologe.
Behandlung mit Antibiotika
Wie erkennt man eine Mykoplasmen-Infektion der Atemwege? «Oft hustet die ganze Familie. Anders als bei anderen Lungenentzündungen ist der Erkrankte noch einigermassen fit, nicht ans Bett gefesselt», so Meyer Sauteur. Dadurch gingen Personen eher spät zum Arzt. «Der Husten hält jedoch sehr lange an.»
Vor allem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind von den Lungenentzündungen durch Mykoplasmen betroffen. Grund dafür könnte eine verstärkte Immunreaktion sein. Behandelt werden diese mit Antibiotika.
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Einsatz nicht immer notwendig
«Es gibt noch genügend Antibiotika zur Behandlung von Mykoplasmen, es sind zurzeit auch alle noch verfügbar», schreibt Apotheker Leo Grossrubatscher von der Dr. Andres Apotheke Stadelhofen. Aber auch die Schweiz ist vom weltweiten Engpass bei Arzneimitteln betroffen.
Doch auch wenn es zu einem Engpass kommen sollte, braucht nicht jeder Patient Antibiotika. Im Kispi geben die Ärzte Antibiotika nur bei reduziertem Allgemeinzustand, schweren Verläufen und wenn der Patient hospitalisiert werden muss. Der Infektiologe fügt an: «Der Einsatz von Antibiotika ist nicht immer notwendig, dies hängt sehr stark von der Schwere der Erkrankung ab.»
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