Überwachungstraining in Tschechien
Schweizer Beamte reisen an Spionagemesse in Prag

In diesen Tagen treffen sich in Prag Spione aus aller Welt. Mit dabei: Fachleute des Bundes. In einem Viersternehotel erhalten sie die neueste Überwachungstechnik präsentiert.
Publiziert: 28.11.2021 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2021 um 10:53 Uhr
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In diesem Viersternehotel in Prag findet eine Spionagemesse statt. Journalisten sind nicht zugelassen.
Foto: zvg
Fabian Eberhard

Die Spione treffen sich im Prager Viersternehotel Clarion. Dort besuchen sie in diesen Tagen – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – die Überwachungsmesse ISS World, gesponsert von einem hoch umstrittenen Spionagekonzern.

Die Messe sei die weltweit grösste Zusammenkunft von Polizisten und Geheimdienstlern, schreiben die Organisatoren in ihrer Einladung. Überwachungsexperten aus aller Welt erhalten in Prag die neuste Schnüffeltechnik präsentiert – Training inklusive. Journalisten sind dabei keine zugelassen.

«Mitarbeitende aus sensiblen Bereichen»

SonntagsBlick-Recherchen zeigen: Auch Schweizer Beamte reisten nach Tschechien. Auf der Gästeliste stehen Fachleute aus dem Verteidigungsdepartement (VBS) und dem Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). VBS-Sprecher Lorenz Frischknecht bestätigt, dass Spezialisten des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) und der Armee teilnehmen. Weil es sich um «Mitarbeitende aus sensiblen Bereichen» handle, könne er jedoch weder etwas zu deren Anzahl noch genauen Funktion sagen.

Etwas konkreter wird EJPD-Sprecherin Michaela Kozelka. Bei den Teilnehmern aus dem Justiz- und Polizeidepartement handle es sich um drei Bundeskriminalpolizisten und einen Informatiker, die sich vor Ort über die neusten technischen Entwicklungen informieren würden.

Abhörgeräte aus der Schweiz

vom 7. bis am 9. Dezember finden im Clarion-Hotel Workshops und Trainings für hoch spezialisierte Überwachungstools statt. Auch Schweizer Firmen mischen mit. Die Zürcher Neosoft AG gehört sogar zu den Sponsoren der ISS World. Sie bietet eigene Produkte an, etwa eine «neue Generation» von sogenannten IMSI-Catchern. Das sind kleine Geräte, mit denen Mobiltelefone geortet und abgehört werden können.

Die Überwachung von Handys ist denn auch eines der Hauptthemen der Messe. Weil der neue Netzstandard 5G das Abhören und Orten von Mobiltelefonen erschwert, sind noch ausgefeiltere Methoden vonnöten. «Don’t let the new 5G Privacy Features stop you», verspricht eine Schulung – lassen Sie sich von den neuen 5G-Datenschutzfunktionen nicht aufhalten.

Kontroverser Hauptsponsor

Hauptsponsor der Messe ist die israelische NSO Group. Der Überwachungskonzern steht wegen seiner Spionagesoftware Pegasus gerade weltweit in der Kritik. Mitte Juli hatte ein internationales Journalistenkonsortium publik gemacht, dass mit Pegasus weltweit Hunderte Politikerinnen und Politiker, Menschenrechtler und Journalisten ausgespäht worden waren.

Cyberangriffe auf die Demokratie statt Kampf gegen Kriminalität: Auch das Umfeld des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi soll mit der Software ausspioniert worden sein – kurz bevor er umgebracht worden ist.

VBS-Sprecher Frischknecht rechtfertigt die Teilnahme der Schweizer Beamten an der Messe in Prag. «Um ihre Aufträge wahrnehmen zu können, müssen die Spezialistinnen und Spezialisten im VBS über aktuelles Wissen zu aktuellen Entwicklungen verfügen.» Dazu gehöre der Austausch mit entsprechenden Wissensträgern an Messen wie der ISS World.

Die Veranstaltung in Prag ist nicht nur ein Präsentations- und Trainingsanlass, sondern auch eine Verkaufsmesse. In den nächsten Monaten schickt der Bundesrat das neue Nachrichtendienstgesetz in die Vernehmlassung. Ziel ist, die Überwachung in der Schweiz auszuweiten.

Plant die Schweiz etwa neue Beschaffungen? In Zukunft sollen Ermittler auch in Computersysteme und Handys von Rechts- und Linksextremen eindringen dürfen. Bisher war dies den Fahndern verboten. VBS-Sprecher Frischknecht betont, dass die Teilnahme der NDB-Mitarbeiter an der Messe in Prag in keinem Zusammenhang mit der geplanten Revision des Nachrichtendienstgesetzes stehe. Dessen Umsetzung sei nicht vor 2024 geplant.

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