«Ich werde mich dagegen wehren, solange es geht»
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Zertifikatspflicht-Rebellen:«Ich werde mich dagegen wehren, solange es geht»

Trotzige Unternehmer wollen sich über die Zertifikatspflicht hinwegsetzen
«Soll die Polizei doch kommen!»

Die Zertifikatspflicht ist in der Schweiz noch gar nicht eingeführt, und schon formieren sich Unternehmer, die sich offen dagegen auflehnen. In den sozialen Medien rufen sie zum Widerstand auf.
Publiziert: 06.09.2021 um 00:53 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2021 um 15:35 Uhr
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Wehrt sich gegen eine mögliche Zertifikatspflicht: Kathi Fleig (60), Chefin der Zürcher Fitnesskette David Gym.
Foto: Siggi Bucher
Fabian Vogt und Michael Sahli

Noch ist die Zertifikatspflicht in der Schweiz nicht eingeführt. Die Fronten sind trotzdem bereits verhärtet. Einige Betriebe bedienen freiwillig keine Ungeimpften und Ungetesteten mehr (Blick berichtete). Bei anderen Unternehmern läuft hingegen der Widerstand gegen eine mögliche Einführung auf Hochtouren. Sie haben sich im Internet zusammengeschlossen und proben den Aufstand gegen den Bundesrat.

In den letzten Wochen verzeichneten die Zertifikats-Gegner auf ihren Portalen starken Zulauf. Unter dem Motto «Alle sind willkommen» versammeln sich auf Telegram Betriebe und Sympathisanten, die überzeugt sind, die Zertifikatspflicht verstosse gegen die Verfassung. Knapp 18'000 Personen sind innert weniger Tage einer entsprechenden Gruppe beigetreten. Auf einem anderen Portal tummeln sich laut Angaben des Betreibers «3701 Anbieter, die die Würde des Menschen achten» und «niemanden diskriminieren». Konkret: Unternehmer, die sich nicht an eine Zertifikatspflicht halten wollen.

«Würden Zertifikatspflicht nicht umsetzen»

Eine davon ist Kathi Fleig (60), Chefin der Zürcher Fitnesskette David Gym. Sie ist gleich auf beiden Plattformen eingetragen und sagt gegenüber Blick offen: «Sollte eine Zertifikatspflicht kommen, würden wir diese nicht umsetzen. Bei uns ist jeder willkommen.»

Die Fitness-Unternehmerin sagt mit Verweis auf die unternehmerische Freiheit: «Wird das Zertifikat eingeführt, lasse ich es darauf ankommen. Soll die Polizei doch kommen! Es müssten einfach genug Unternehmen mitmachen.» So ganz scheint sie sich in ihrer Rebellenrolle aber nicht wohlzufühlen. Fleig fügt an: Als Unternehmerin, die auch auf ihre Angestellten schauen müsse, wisse sie, dass sie schlussendlich am kürzeren Hebel sitze.

«Habe Mühe damit, wenn Unternehmer sagen, das Zertifikat sei nicht zulässig»

Blick: Würde eine Zertifikatspflicht der Verfassung widersprechen, wie es die Unternehmer behaupten?
Markus Schefer: Es lässt sich nicht pauschal beantworten. Klar ist, dass eine solche Massnahme die Wirtschaftsfreiheit der Unternehmer einschränkt. Die Verfassung stellt gewisse Bedingungen, damit solche Einschränkungen passieren können. Ob diese gegeben sind, ist dann auch eine Frage der Verhältnismässigkeit.

Was meinen Sie damit?
Kommt es zu einem Prozess, versucht das Gericht, alle beteiligten Interessen möglichst in einen Ausgleich zu bringen. Die Unternehmer können sich auf die Wirtschaftsfreiheit berufen. Andere Gruppierungen haben andere Interessen. Geimpfte beispielsweise wollen sich ohne Einschränkungen bewegen können. Ungeimpfte wollen trotzdem in ihrer Gesundheit geschützt werden und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Zu berücksichtigen ist zudem, welche Ziele die Zertifikatspflicht erreicht. Wird mit der Eingangskontrolle die Überlastung der Spitäler tatsächlich verhindert? Wie stark verbreitet sich das Virus mit und ohne Zertifikat? Antworten auf solche Fragen sind extrem komplex. Ich habe darum Mühe, wenn die Unternehmer einfach sagen, das Zertifikat sei nicht zulässig. Der Bundesrat muss seine Entscheide sorgfältig abwägen, und die Verwaltung muss sie gewissenhaft vorbereiten. Und zur Überprüfung kann ein Gericht angerufen werden.

Die Unternehmer behaupten auch, ein Zertifikat sei diskriminierend.
Der Begriff Diskriminierung wird derzeit inflationär verwendet. Diskriminierung im Sinn der Bundesverfassung ist das nicht. Man kann wegen Rasse, Behinderung oder Geschlecht diskriminiert werden, aber nicht wegen des Impfstatus. Hier schützt die Garantie der Rechtsgleichheit. (vof)

Markus Schefer ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Basel
zvg

Blick: Würde eine Zertifikatspflicht der Verfassung widersprechen, wie es die Unternehmer behaupten?
Markus Schefer: Es lässt sich nicht pauschal beantworten. Klar ist, dass eine solche Massnahme die Wirtschaftsfreiheit der Unternehmer einschränkt. Die Verfassung stellt gewisse Bedingungen, damit solche Einschränkungen passieren können. Ob diese gegeben sind, ist dann auch eine Frage der Verhältnismässigkeit.

Was meinen Sie damit?
Kommt es zu einem Prozess, versucht das Gericht, alle beteiligten Interessen möglichst in einen Ausgleich zu bringen. Die Unternehmer können sich auf die Wirtschaftsfreiheit berufen. Andere Gruppierungen haben andere Interessen. Geimpfte beispielsweise wollen sich ohne Einschränkungen bewegen können. Ungeimpfte wollen trotzdem in ihrer Gesundheit geschützt werden und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Zu berücksichtigen ist zudem, welche Ziele die Zertifikatspflicht erreicht. Wird mit der Eingangskontrolle die Überlastung der Spitäler tatsächlich verhindert? Wie stark verbreitet sich das Virus mit und ohne Zertifikat? Antworten auf solche Fragen sind extrem komplex. Ich habe darum Mühe, wenn die Unternehmer einfach sagen, das Zertifikat sei nicht zulässig. Der Bundesrat muss seine Entscheide sorgfältig abwägen, und die Verwaltung muss sie gewissenhaft vorbereiten. Und zur Überprüfung kann ein Gericht angerufen werden.

Die Unternehmer behaupten auch, ein Zertifikat sei diskriminierend.
Der Begriff Diskriminierung wird derzeit inflationär verwendet. Diskriminierung im Sinn der Bundesverfassung ist das nicht. Man kann wegen Rasse, Behinderung oder Geschlecht diskriminiert werden, aber nicht wegen des Impfstatus. Hier schützt die Garantie der Rechtsgleichheit. (vof)

«Als ob die kleineren Unternehmen zu Grabe getragen würden»

Ebenfalls im Verzeichnis der Zertifikats-Gegner eingetragen ist Wirt Alfio Carria (51). 1997 übernahm er das Restaurant Alpenblick in Arbon TG von seinen Eltern. «Es kommt mir vor, als ob die kleinen Unternehmen zu Grabe getragen würden», sagt er zur Idee des Bundesrats, die Zertifikatspflicht einzuführen. «Erwartet man, dass wir jeden Tag ein Tester-Team bereithalten? Oder gehört das Testen und Kontrollieren schon bald zu unserer Grundausbildung?»

Carria appelliert an alle Gastronomen, Fitnesscenter, Eventveranstalter, Läden und sonstige Dienstleister: «Wehrt euch!» Die Zertifikatspflicht würde nämlich kommen, um zu bleiben. Bürokratie werde selten abgebaut, meint der Thurgauer.

«Eingriff in die Persönlichkeitsrechte»

Einer, der im Internet ebenfalls mit offener Opposition Furore machte, ist Roger Brogli, der im Mittelland vier Restaurants der Sandwich-Kette Subway führt. «Egal, ob (un)geimpft oder (nicht) getestet» oder «mit oder ohne Zertifikat», bei ihm sei jeder willkommen, steht in einem Aushang zu lesen. Dafür wurde er von Impfablehnern im Internet mit positiven Reaktionen überschüttet, kassierte aber auch eine volle Breitseite wütender Zertifikats-Befürworter.

«Ich bin nicht per se gegen 3G», relativiert Roger Brogli gegenüber Blick. «Zudem bin ich aber auch Eventmanager und weiss deshalb, dass es bei Konzerten oder anderen grösseren Veranstaltungen nicht ohne Zertifikatspflicht geht. Aber in Restaurants ist das der falsche Weg. Dort sei es «diskriminierend und ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte».

Auch wenn noch nicht entschieden ist, ob die Zertifikatspflicht kommt, ist bereits klar: Der Bundesrat wird mit seinem Entscheid viele Menschen glücklich und viele Menschen wütend machen. Denn die Meinungen sind bereits gemacht. Die Fronten bleiben verhärtet.

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