Aufruhr in der Schweizer Logistikbranche. Der Schweizerische Zoll hat diese Woche wohl einen grösseren Betrüger ausgebremst. Ein Unternehmer wurde angeklagt, weil er angeblich seit 2017 hunderte illegale Transporte durchführen liess (BLICK berichtete). Ihm droht eine Millionenbusse.
Es geht dabei um das sogenannte Kabotageverbot. Laut diesem ist es nicht erlaubt, Menschen- und Warentransporte mit im Ausland registrierten Fahrzeugen innerhalb der Schweiz durchzuführen.
Ziel des Gesetzes ist, das heimische Gewerbe zu schützen. Denn ausländische Unternehmen haben weniger Auflagen, zahlen tiefere Löhne und können somit deutlich günstigere Transporte anbieten.
Kabotageverbot wird ignoriert
Erst im Frühjahr warf die Zollverwaltung der in Suhr ansässigen Dreier Transport AG vor, zwischen 2014 und 2017 illegal mit ausländischen Firmen zusammengearbeitet zu haben. Das Verfahren läuft noch, Geschäftsführer Hans-Peter Dreier bestreitet die Vorwürfe.
Die beiden Fälle zeigen: Das Kabotageverbot wird ignoriert. Wie oft, ist unklar. Genaue Zahlen gibt es nicht, die Zollverwaltung erhebt keine separaten Statistiken. Doch in der Branche mehren sich die unzufriedenen Stimmen. Die Zollverwaltung sei überfordert, sie könne gar nicht überprüfen, ob das Gesetz eingehalten werde, sagen einige. Die Dunkelziffer sei viel grösser als die Behörden erzählen, glauben andere. Fakt ist: Es gibt sogar Webseiten, auf denen polnische, tschechische oder deutsche Unternehmen leere Frachträume in LKWs anbieten – und Schweizer Firmen mieten sie fleissig.
«Man muss Beispiele bringen»
Als einer der wenigen Vertreter der Branche auch öffentlich äussern möchte sich Ivo Scherrer, Geschäftsführer des Ostschweizer Transportunternehmens Schewa-Trans: «Ob das Kabotageverbot eingehalten wird, wird kaum kontrolliert. Der Zoll ist dazu scheinbar nicht in der Lage, mangels Interesse oder fehlenden Mitteln – warum auch immer.» Wenn man aber die mangelhafte Umsetzung anprangern würde, heisse beim Zoll, man müsse Beispiele bringen. Was als Transportunernehmer praktisch unmöglich sei. Aber dass das Kabotageverbot regelmässig umgangen werde, liege auf der Hand: «Der Wettbewerbsvorteil ist einfach zu gross» sagt Scherrer. Und die Chance erwischt zu werden, zu klein. «Die Bussen sind zu gering. Es fehlt der notwendige Druck der Behörden, sich an das Gesetz halten zu müssen». Scherrer sagt: «Ohne Erhöhung der Kontrolldichte und gezieltem Fokus auf das Kabotageverbot, ist diesem Missstand nicht beizukommen.»
Mit den Vorwürfen konfrontiert, sagt David Marquis, Mediensprecher der Eidgenössischen Zollverwaltung: «Zur Überprüfung des Kabotageverbots machen wir Kontrollen bei der Ein- und Ausreise sowie im Inland». Marquis sagt aber auch, dass die Einhaltung des Gesetzes schwieriger festzustellen sei, als es beispielsweise bei abgenutzten Autoreifen der Fall ist. Teilweise erhalte man Tipps von Mitbewerbern, teilweise werde auch die Polizei tätig. Die Einhaltung des Kabotageverbots sei ein «Schwerpunkt der Zollfahndung» und die zwei Fälle dieses Jahr «haben gezeigt, dass die Kontrollen funktionieren.»
«Dunkelziffer sehr hoch»
Dem widerspricht Reto Jaussi, Direktor des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands Astag. «Die Dunkelziffer der ausländischen Transportunternehmer, die das Kabotageverbot ignorieren, dürfte sehr hoch sein». Er geht davon aus, dass Spediteure und Auftraggeber vorab aus Osteuropa versuchen würden, von der laschen Kontrolle des Gesetzes in der Schweiz zu profitieren.
Jaussi sagt aber auch, dass gerade in den letzten Monaten seitens Zoll und Polizei die Wichtigkeit der Thematik besser verstanden worden wäre. Doch die Kontrollen seien schwierig: «Man müsste einen Täter ja quasi in flagranti erwischen.» Trotzdem ist für ihn klar: «Das Gesetz muss umgesetzt werden. Es braucht eine Null-Toleranz.»
Aus diesem Grund werde der Verband bald einen politischen Vorstoss lancieren, laut der nicht nur die Frachtführer, sondern auch die Auftraggeber bestraft werden sollen. «Zudem müssen die Strafen bei Nichteinhaltung des Gesetzes drastisch erhöht werden.» Bisher liegen diese je nach Fall bei 100 bis 5000 Franken Busse. Jaussi fordert eine Obergrenze von 100’000 Franken, analog zu Verstössen gegen die Lizenzbestimmungen.