Ohne Social Media läuft nichts mehr. Auch nicht die Polenta am Stand von Mirko Corradini (40) und seiner Lebenspartnerin Samantha Filippini (45). Das Paar postet Videos, streamt jeden Donnerstag live, wie der gelbe Maisbrei angesetzt, mit grosser Keller im Topf gerührt und an Passanten verteilt wird. Spezzatino, Gorgonzola, Luganighette: Leckereien, die nicht nur in Mägen, sondern auch ins Netz gehören, so das Credo des Tessiner «Polenta-Chefs». Nach Facebook und Instagram wagt sich der Koch ins Internetreich der Kids – und verbrennt sich prompt die Finger.
«Wir wollten ein altes, traditionelles Gericht den jungen Leuten nahebringen», sagt der gebürtige Misoxer und führt an: «Da haben wir halt auch ein Profil auf Tiktok erstellt.» Tiktok wird vor allem von Kindern und Jugendlichen genutzt. Das Markenzeichen des chinesischen Netzwerks: pfiffige Videos mit Musik, gespickt mit Spezialeffekten wie Glitzersternen, Katzenohren oder Hundeschnauze, die durch Gesichtserkennung auf Augen, Mund, Nase oder Kopfform der Gefilmten platzieren werden.
Polenta-Mann wird im Netz übelst beschimpft
Und so stellten auch Mirko und Samantha lustige Filmchen zur Polenta ins Netz. «Zunächst lief alles super», so Corradini. «Wir hatten viel Zulauf, online als auch an unserem Stand auf der Piazza von Locarno!» Doch nicht jedem Teenie gefallen die Polenta-Posts. Viele der mittlerweile 5500 Follower sind anonym. Immer wieder tauchen feindselige Kommentare auf.
«Vor einigen Wochen sahen wir, dass ein Bub unsere Videos kopiert und auf einem Fake-Profil gepostet hatte», sagt Samantha Filippini «Wir wurden durch Spezialeffekte verunstaltet und in einem Text verleumdet.» Mirko Corradini wurde als Corona-Sünder dargestellt. Er würde nicht die geforderte Hygiene einhalten, keine Maske tragen, die Polenta verunreinigen, so der junge Hater. Der «Polenta-Chef» und seine Freundin wurden danach auch auf ihren privaten Profilen angegriffen, auf Tiktok sowie auf Instagram und sogar auf Whatsapp.
Pöbler sind gerade mal zwölf Jahre alt
«Ihr seid zu alt für Tiktok, haut ab zu Facebook», heisst es in einem Post der Milchbubis. In einer Message wird Mirko Corradini als Dreckskerl beschimpft, der nur eine Sch....-Polenta verkaufe. «Sie hassen uns Erwachsene, sie finden uns alt und nennen uns Boomer», sagt Samantha weiter. Wie viele Kids den «Polenta-Chef» im Visier haben, wissen Mirko und Samantha nicht. Zwei seien es mindestens. Da einer der Buben sich inzwischen mit einer Sprachmessage entschuldigt hat, kennen sie seine Stimme. Es gibt auch Fotos.
«Wir kennen nicht die Namen, aber es sind Buben im Alter von etwa zwölf Jahren», so Corradini. Und: «Wir haben Anzeige wegen Verleumdung gegen unbekannt erstattet. Da es Minderjährige sind, gibt es wohl kaum rechtliche Konsequenzen.» Sein Wunsch daher: «Die Eltern sollten besser auf ihre Kinder achtgeben».