#aufbruch mit Patrizia Laeri
Junge brechen das Geld-Tabu

Wer leidet am meisten unter der Pandemie? Dies ist aus psychologischer und gesundheitlicher Sicht schwer zu beurteilen. Auf wirtschaftlicher Ebene lässt sich diese Frage jedoch einfach beantworten: die Jungen.
Publiziert: 28.04.2021 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2021 um 12:32 Uhr
Patrizia Laeri (43) ist Wirtschaftjournalistin und Dozentin.
Foto: Thomas Buchwalder
Patrizia Laeri

Junge verlieren schneller und häufiger den Job. Auch die Art, wie jüngere Menschen arbeiten, macht sie in Krisen verletzlicher. Freelancerinnen und Teilzeit-Jobber sind in unsicheren Zeiten schneller abgebaut. Viele sind im letzten Jahr direkt nach der Ausbildung zum Arbeitsamt. Die Jugendarbeitslosigkeit hat sich im Pandemie-Jahr in der Schweiz verdoppelt.

Damit hat sich auch der Geld-Graben zwischen Jung und Alt vertieft. Die Löhne verharrten schon vor der Pandemie seit Jahren auf ähnlichen Niveaus. Die soziale Mobilität hat sich in vielen Industrieländern verringert, die Aufstiegschancen der Kinder sind gemessen an denen ihrer Eltern weitläufig gesunken. Und 60 Prozent der vererbten Vermögen gehen in der Schweiz an über 60-Jährige. Die Ungleichheit zwischen den Generationen ist real.

Not macht erfinderisch

Diese Not macht anscheinend auch erfinderisch und kreativ. Jugend-Barometer und -Umfragen zeigen, dass junge Menschen besorgter, aber auch engagierter sind als früher. Nicht nur in Klimafragen – auch in Finanzfragen. Die Vorsorge ist in der jungen Schweiz das Sorgenthema Nummer eins. Die Jungen haben die Rente bereits abgeschrieben. Diese Generation versucht deshalb, das finanzielle Heft selber in die Hand zu nehmen.

Finanzbildung ist hip

Auf Social-Media-Plattformen geht das Thema Finanzen viral. Schon vor der Pandemie holte sich jeder fünfte Jugendliche Geldtipps auf Youtube. Auf Tiktok zählt der Hashtag #personalfinance mittlerweile mehr als 4 Millionen Video-Ansichten, auf Instagram 1,3 Millionen Erwähnungen und #finance rund 10 Millionen. Viele sehr junge Menschen sprechen ungewohnt offen darüber, wie viel sie verdienen und wie hoch ihre Schulden sind. Andere bieten unterhaltsam Finanzbildung. Wie zahle ich am schnellsten Kreditkartenschulden ab? Wie spare ich? Sie zeigen auch auf, wie Negativzinsen Ersparnisse vernichten und wie wichtig es ist zu investieren. Auch immer mehr junge Frauen erklären komplexere Finanzthemen wie börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, auf Social Media.

Investieren oder spekulieren?

Neue Smartphone-Banken und Handelsplattformen befeuern den Boom. Das kann verführerisch und gefährlich sein. Vor allem angelsächsische Finanz-Tiktoker bieten in Gamer-Sprache vermeintlich heisse Aktientipps feil, werben wie Cheerleader für schwankungsanfällige Kryptowährungen und warnen nicht vor Risiken. Die Mehrheit der jungen deutschsprachigen Finanz-Youtuberinnen und -Influencerinnen hingegen weist besonnen und beständig auf Risiken hin, auf Schwankungen oder Gebühren.

Gemeinsam ist der neuen Geld-Generation, dass sie finanziell unabhängig sein wollen. Sie holen Geld aus der Tabu-Ecke, sie gehen spielerisch, humorvoll und persönlich damit um. Und sie können andere Menschen damit für Finanzen begeistern – die Klicks beweisen es. Jede junge Person, die dazu motiviert werden kann, finanziell besser zu planen und sich mehr über Geld zu informieren, ist eine finanziell unabhängigere Person. Das Fach Finanzbildung hat es leider nicht in die Schulen geschafft, aber auf Social Media ist es angekommen.

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