Der Super-Deal machte einst weltweit Schlagzeilen: Der Bürgermeister eines sizilianischen Dorfes versprach Häuser für einen einzigen Euro! Bedingung sei eine zügige Sanierung der heruntergekommenen Gebäude. Ziel der Aktion: den mittelalterlichen Ort im Herzen der Provinz Trapani wieder zu beleben.
Das war vor gut 14 Jahren. Die Initiative verbreitete sich wie ein Lauffeuer übers ganze Land. Heute bieten 61 Dörfer in 15 italienischen Regionen Hunderte von Ein-Euro-Häuser an. Der Markt boomt.
Eine gute Idee fand auch die Tessiner Gemeinde Gambarogno TI. Auch sie hat einen alten menschenleeren Weiler, den es zu beleben gilt. Er liegt malerisch oberhalb der Berggemeinde Indemini auf 1300 Metern Höhe. In bester Südlage, sogar mit ein wenig Seeblick. Ein wahres Juwel, wer Romantik, Abgeschiedenheit und Natur liebt.
Noch kein einziges Rustico verkauft
Also wurde 2019 vollmundig die Schweizer Version lanciert: Ein Rustico für einen Stutz! Zahlreiche Anfragen gingen seither ein. Vor allem aus der Deutschschweiz und dem Ausland. Verkauft allerdings wurde bislang nicht ein einziges Haus. Grund: Zu viele Fragezeichen.
Man könne die Ein-Euro-Objekte nicht mit den Monti di Sciaga vergleichen, sagt Pierluigi Vaerini (67) zu Blick. «Die alten Palazzi in Italien stehen meist in Dorfzentren, haben daher Zugang zu Strom, Wasser, Gas». Die Rustici hingegen seien abgelegen auf einem Berg, ausserhalb der Bauzone. «Man braucht gut 45 Minuten zu Fuss zum Weiler. Denn es führt keine Strasse hinauf», sagt der Gemeinderat und Präsident des Vereins «Amici di Indemini» (übersetzt: «Freunde von Indemini»).
Es gäbe keine Elektrizität dort, keine Kanalisation, keine Seilbahn. «Der Wiederaufbau eines einzigen Rusticos kostet schnell 200'000 Franken», so der pensionierte Polizist. «Ehrlich gesagt, frage ich mich, ob wir das noch hinbekommen».
Seit 50 Jahren soll der Weiler wieder aufgebaut werden
Seit den 70er Jahren will man den Weiler wieder aufbauen. Damals gehören rund 30 Rustici und 20 Hektar Land der «Comunità Montana SA». Mitte der 70er Jahre geht der Berggemeinschaft das Geld aus. In den 90er Jahren kauft Indemini die Steinhäuser von Sciaga, entwickelt ein landwirtschaftliches Projekt, das 2002 bei der Gemeindeversammlung durchfällt.
Die Eidgenossenschaft verbietet in jenen Jahren die Schaffung von neuem Wohnraum ausserhalb der Bauzone. Sciaga scheint gestorben. Doch der Südkanton schafft Anfang der 2000er eine Nutzungszone für landschaftsprägende Bauten. Auch die Monti di Sciaga finden ihren Platz im sogenannten PUC PEIP. Als Indemini 2010 eingemeindet wird, übernimmt Gambarogno das Erbe. In der Zwischenzeit aber verfallen die Rustici zunehmend zu Ruinen.
Positive Signale vom Kanton
Die Gemeinde hält aber am Projekt fest. Sie gibt bei einem Architekten eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Vor zwei Monaten reicht sie beim Kanton landschaftsprägende Baugesuche für acht Rustici ein. «Wir sind optimistisch», sagt Gemeindepräsident Gianluigi Della Santa (56). Von kantonaler Seite habe er durchaus positive Signale erhalten.
Doch auch Bern hat ein Wort mitzureden. Mit einer Beschwerde des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) droht nun der Traum vom Ein-Stutz-Rustico endgültig zu platzen. Der Rekurs wurde im Mai 2022 vor dem Tessiner Verwaltungsgericht eingereicht und stellt das ganze Projekt in Frage. Denn er richtet sich nicht gegen die Baugesuche, sondern gegen die Inventarisierung des Weilers, die Voraussetzung für die Umnutzung der Rustici ist. Das Inventar wurde 2018 von der Gemeinde erneuert, das ARE aber nicht informiert.
Beschwerde vom Bund blockiert Projekt
«Während der Prüfung einer anderen Baubewilligung aus der Gemeinde Gamborogno sind wir auf die neue Inventarisierung gestossen», sagt Thomas Kappeler zu Blick. «Wir haben dann auf den Satellitenbildern gesehen, in welch schlechtem Zustand die Rustici sind». Verfallene Häuser könnten eigentlich nicht mehr aufgebaut werden, so der Leiter der Sektion Recht des ARE. Vielleicht, so Kappeler weiter, würde ein Ortstermin mit allen Beteiligten ja noch das Bild ändern.
Im Moment blockiert die Beschwerde jedoch die Situation. Sie kann bis vors Bundesgericht gezogen werden. Das würde bedeuten: Papierkrieg und lange Wartezeiten. Und so werden die Rustici immer teurer, bevor sie für einen Franken verkauft werden können.
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