Die Messe beginnt. Hinter den dicken Mauern ertönt ferner Gesang. In der kurzen Gasse, die die Kirche San Lorenzo mit dem Sitz der Kurie verbindet, ist es ansonsten still. Jeder huscht über den kleinen Platz. Den Blick aufs Kopfsteinpflaster geheftet. Leisen, aber schnellen Schrittes. Vorbei an jenem Haus, in dem verschiedene emeritierte Priester ihren Lebensabend verbringen. Einer von ihnen hütete ein dunkles Geheimnis.
Über das, was sich über zwölf Jahre im Borghetto Nr. 2 ereignete, will kaum jemand reden. Man habe nichts gewusst, alles erst aus den Medien erfahren. Am Freitag führten Beamte in Zivil den ehemaligen Generalvikar der Luganeser Diözese in Handschellen ab. Die Fassade eines gottesfürchtigen Lebens beginnt zu bröckeln. In seiner Wohnung, die ihm die Kurie zur Verfügung stellte, soll Don Armando C.* (80) eine Frau (48) versteckt haben, berichtet die Tessiner Sonntagszeitung «Il Caffè». Die Finnin habe keine gültigen Aufenthaltspapiere und wurde, so der Verdacht, vom Erzpriester gegen ihren Willen festgehalten.
Diözese will mit Behörden zusammenarbeiten
Die Tessiner Staatsanwaltschaft jedenfalls lässt den ehemaligen Dekan an der theologischen Fakultät in Lugano TI wegen Freiheitsberaubung, Nötigung, pflichtwidriger Unterlassung und leichter Körperverletzung festnehmen. In einer knappen Pressemitteilung bestätigt die Diözese die Festnahme, betont, es seien keine Minderjährigen verwickelt, und verspricht, mit den ermittelnden Behörden eng zusammenzuarbeiten.
Noch sind die Einzelheiten bruchstückhaft. In der Wohnung soll ein unbeschreibliches Chaos geherrscht haben. Die Frau sei derartig verdreckt und verwahrlost gewesen, dass es zu einer Anzeige wegen Körperverletzung kam. Überall hätten Postpakete gelegen, viele von Zalando. Die Anwesenheit der Frau im Hause des emeritierten Priesters ist kaum aufgefallen. Und wenn jemand die Finnin einmal erblickte, dann erklärte Don Armando, sie sei eine Cousine und zu Besuch.
Verhältnis des Priesters zur Frau noch nicht geklärt
Kennengelernt hat Don Armando die Finnin während eines Online-Unterrichts im Internet. Er habe sie, so scheint es, zunächst als Hausdame nach Lugano geholt. Wie eng das Verhältnis schliesslich wurde und warum es derart ausartete, muss die Staatsanwaltschaft nun klären.
«Don Armando ist jeden Tag um sieben Uhr aus dem Haus gegangen. Er ist zur Messe gegangen, dann mit seinem VW ins Büro der Fakultät», erzählt der Küster gegenüber BLICK. Aber eine Frau mit Gewalt festzuhalten? «Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Don Armando ist doch ein so zierlicher, kleiner älterer Herr.»
* Namen geändert