Auf einen Blick
- Schweizer überlebt 36 Stunden unter Wasser nach Tauchboot-Unglück im Roten Meer
- Michael Miles kämpfte in gefluteter Kabine ums Überleben
- Notrufsignale haben nicht funktioniert wegen fehlender Batterien
- Weiterhin sieben Menschen vermisst – vier Tote
An Bord des Tauchboots Sea Story, das am 24. Oktober in Marsa Alam in Ägypten zu einem Tauchausflug auslief, befanden sich insgesamt 44 Menschen. Am 25. November kam es zur Tragödie: Das Boot wurde von einer Welle getroffen, kenterte und sank. Trotz sofort eingeleiteten Such- und Rettungsaktionen konnten vier Menschen nur noch tot geborgen werden. Von sieben Personen fehlt bis heute jede Spur.
Unter den 33 Geretteten sind auch zwei Schweizer. Einer von ihnen ist Michael Miles (70) aus dem Kanton Waadt. Gegenüber «24 Heures» erzählt er, wie es ihm eine Woche nach dem Horror auf offenem Meer geht. «Ich muss gestehen, dass ich immer noch im Überlebensmodus bin.» Mit über 150 Tauchgängen an den verschiedensten Orten weltweit gilt er als erfahrener Taucher. Zusammen mit einem Mitreisenden aus Finnland überlebte der 70-Jährige 36-Stunden unter Wasser, eingesperrt in einer teils gefluteten Kabine zwölf Meter in der Tiefe.
Aktuell habe es für ihn Priorität, wieder «die Kontrolle über mein Leben zurückzugewinnen», sagt er. «Mein Leben, das mir auf dem Grund dieses Schiffes entglitten ist», so Miles. Es werde einige Zeit dauern, bis er den Emotionen werde Platz machen können.
«Ich hatte eine Vorahnung»
Der erfahrene Taucher sagt, dass er eine «Art Vorahnung» hatte, als er die Sea Story vor Antritt der Tauchsafari sah. «Für mich war sie mit ihren vier Decks zu hoch für ein Boot, das keinen Kiel hat», erklärt Miles. Der fehlende Kiel hätte dem Schiff die nötige Stabilität geben können. Ursprünglich hätte es auch nicht dieses Boot sein sollen, das die Touristen aufs Meer hinausfährt.
Gefluteter Gang und rettende Luftblase
Nach einigen ersten Tauchgängen und in der ersten Nacht passierte es. Das riesige Boot wurde von einer Welle getroffen und kippte zur Seite. Seine Kabine auf dem unteren Deck teilte Miles sich mit einem Mann aus Finnland. «Er flog aus seinem Bett und wurde auf meins geschleudert. Der Boden war zur Decke geworden und umgekehrt», erzählt Miles.
Der Gang sei bereits zu zwei Dritteln überflutet gewesen, als er die Türe öffnete. Auch in der Kabine begann das Wasser zu steigen. Sie hätten daraufhin beschlossen, dass es sicherer sei, in der Kabine zu bleiben. Eine Luftblase, die sich über ihren Köpfen bildete, rettete den beiden womöglich das Leben. «Die Möbel brachen auseinander und Nägel bohrten sich in unser Fleisch», schildert der 70-Jährige die stundenlange Tortur.
Luftblasen kündeten nahende Rettung an
Angst habe er keine gehabt, versichert er gegenüber der Zeitung. Er habe in den Überlebensmodus geschaltet. Die Stunden vergingen und nichts geschah. «Wir fühlten uns alleine, niemand suchte nach uns, wir hörten nichts», so Miles.
Durch einen kleinen Spalt in der Türe erblickte er am Dienstag endlich den Strahl einer Taschenlampe. Er räumte eine Matratze beiseite, öffnete die Tür und sah Luftblasen, «Endlich Taucher!», habe er gedacht und doppelt nach, dass seine Rettung einer Reihe von glücklichen Zufällen geschuldet sei.
Zum einen sei seine Kabine nicht vollends mit Wasser gefüllt gewesen, zum anderen war einer der Retter Berufstaucher auf einer Militärfregatte. Dieser bestand darauf, nach unten zu tauchen und nach den Menschen in den Kabinen zu suchen. Durch einen langen Schacht und eine enge Luke mussten sich der Waadtländer und sein finnischer Kamerad ihren Weg an die Wasseroberfläche kämpfen. «Und das alles im Dunkeln», so Miles. Vier andere Menschen wurden leblos aus ihren Kabinen geborgen.
Abschiedsgruss an Familie
Die Behörden geben an, dass das Boot vollständig zugelassen war und alle Kontrollen bestanden habe. Miles erzählt nach seiner Rettung, dass die Notrufsignale, mit denen die Rettungswesten ausgerüstet sind, nicht funktioniert hätten. «Weil niemand Batterien eingelegt hatte», sagt er.
Bevor er gerettet wurde, nahm er am Dienstagmorgen noch eine Abschiedsnachricht für seine Frau und seine zwei Kinder mit seiner Kamera auf. «Für den Fall der Fälle», so der Waadtländer. Auf die Frage, wieso er das alles jetzt erzähle, antwortete er: «Menschen mögen Geschichten, die gut ausgehen, oder?». Trotz allem, was er dort draussen unter Wasser erlebt hat, versichert Miles: «Ich werde wieder ohne Angst tauchen gehen.»