Mario Minarik (30) wurde in Baden AG verprügelt
Selbstjustiz mit Kommissar Facebook

Mario Minarik (30) wurde in Baden AG verprügelt. Jetzt sucht er mit einem Foto auf Facebook die vermeintlichen Täter.
Publiziert: 01.09.2018 um 11:02 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 23:03 Uhr
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Wüste Schlägerei in Baden AG:Prügel-Opfer erleidet dreifachen Bruch
Ralph Donghi (Text und Fotos)

Im Juni geriet Mario Minarik (30) aus Dietikon ZH in Baden AG nach einer Latino-Party in eine Schlägerei. «Ich wurde von mehreren Typen brutal verprügelt», sagt der Slowene, der bis heute nicht weiss, wer die Täter sind. 

Damit will sich das Prügel-Opfer nicht abfinden und ermittelt mit einem Kumpel auf eigene Faust. Per Facebook – mit einem Foto vom verhängnisvollen Fest. Darauf zu sehen: fünf junge Männer, die als Gruppe posieren. Minarik und sein Umfeld vermuten die Clique hinter der feigen Attacke. «Ich hoffe, dass sie so gefunden werden.»

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Mario Minarik (30) aus Dietikon ZH wurde im Juni in Baden AG verprügelt.

Täter konnten nach Attacke fliehen

Das Opfer erinnert sich mit Schrecken an die Prügelei an der Einfahrt der Trafo-Tiefgarage. «Es sind sechs Personen zu uns runtergekommen und haben plötzlich auf uns eingeschlagen», so Minarik. Er ist heute noch schockiert: «Es war heftig! Ein Typ ist von der Seite gekommen, wie ein Kämpfer. Und hat mich zwei, drei Mal ins rechte Bein getreten.» Als Minarik um Hilfe schreit, hauen die Schläger ab. «Ich wusste sofort, dass mein Bein kaputt war. Ich wollte, dass eine Ambulanz und die Polizei kommen.»

Im Spital folgt der Schock. «Mein Unterschenkel war gebrochen und mein Fuss ebenfalls zweifach», sagt Minarik. Er musste zweimal operiert worden und kann seither nicht mehr arbeiten, klagt der Automechaniker. Sein Kumpel sei mit leichten Gesichtsverletzungen davongekommen.

Letzte Hoffnung: eigene Suche auf Facebook

Bei der Polizei hat Minarik eine Anzeige eingereicht – bisher ohne Erfolg. Er weiss nur: Einer der Schläger soll Kroate, die anderen Schweizer gewesen sein. Die wichtigste Zeugin könnte seine Freundin sein – sie hatte die Schläger auch auf dem Foto wiedererkannt, das nun bei Facebook bei der Tätersuche helfen soll. 

Die Ermittler sind wenig begeistert von der Selbstrecherche des Opfers. «Wir haben dieses Foto auch erhalten», sagt Roland Pfister von der Kantonspolizei Aargau. Aber: «Die Hürde für eine Öffentlichkeitsfahndung ist für die Polizei viel höher.»

Polizei hat enorme Bedenken

Und: Dass der Bekanntenkreis des Geschädigten das Bild im Internet veröffentlicht habe, könne eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen. Pfister gibt zu bedenken: «Die betroffenen Personen könnten gar gegen ihn klagen. Vor allem auch, wenn keine der Personen auf dem Foto etwas mit der Tat zu tun hätte.»

Ob die Männer auf dem Bild tatsächlich die gesuchten Schläger sind, ist noch unklar. Pfister: «Die Ermittlungen laufen, und die mutmassliche Täterschaft ist noch nicht gefasst.»

Luzern: Wirt jagt Dieb mit Foto
In der Luzerner Pizzeria Mamma Leone klaute ein Dieb zwei Serviceportemonnaies. Der Wirt José Da Silva (43) ist deswegen stinksauer, stellt ein Foto des vermeintlichen Täters auf Facebook (BLICK berichtete). Verbunden mit der Warnung: «Vorsicht! Falls Sie diesen Mann in Ihrem Betrieb beobachten, ruft die Polizei!» Der Beizer zu seinen Beweggründen: «Wir wurden schon mal bestohlen, ich habe die Schnauze voll und es jetzt selbst in die Hand genommen.» Anscheinend mit Erfolg! Stolz berichtet Da Silva: «Ich habe schon einen Namen bekommen.»

Wil SG: Pädo-Jagd auf Vater
Aufruhr in Wil SG. Besorgte Passanten beobachteten einen Mann an der Bachstrasse, der mit einem kleinen Kind nackt badete. Sofort wurden die Beobachtungen als Warnhinweis auf Facebook geteilt. Der Verdacht: Ein vermeintlicher Pädophiler belästigt ein junges Mädchen. Man habe es bereits der Polizei gemeldet! Die Beamten ermitteln sogar – und geben Entwarnung (BLICK berichtete). Der vermeintliche Triebtäter ist ein unbescholtener Familienvater, der sich und seiner Tochter eine spontane Abkühlung gönnte.

Kanton Bern: «Traktor-Tubel» am Pranger
Ein Bauer aus dem Kanton Bern erhitzt die Gemüter diverser Autofahrer (BLICK berichtete). Sein Vergehen: Er fährt zu langsam mit seinem Traktor über eine Landstrasse, weicht immer wieder in die Mitte aus. Das Überholen wird so unmöglich. Ein betroffener Autofahrer filmt die Szene und teilt sein Wut-Video auf Facebook. O-Ton: «Du bist gefilmt, du Depp. Das Video schicke ich der Polizei.» Die Kantonspolizei bekam den Clip tatsächlich zu Gesicht: Ob der Filmer oder auch der Bauer echte Konsequenzen erfahren haben, ist allerdings unklar.

Niederweningen ZH: Migrolino-Mann veröffentlicht Video
Drei Unbekannte suchten am frühen Donnerstag den Migrolino-Shop in Niederweningen ZH heim BLICK berichtete). Auf den Bildern sieht man, wie die Täter das Geschäft plündern, sich eine Tüte schnappen und Waren einstecken. Zu viel für einen Mitarbeiter des Shops – schon kurz nach dem Raub stellt er die Aufnahmen der Überwachungskamera ins Netz und schreibt: «Wenn jemand Informationen zu den Tätern oder etwas Ungewöhnliches gehört hat, bitte bei mir melden.» Seine Mission: Er will «die Saubande erwischen».

Achtung, Amtsanmassung!

Auch der Basler Anwalt Andreas Noll hält nichts von Facebook-Agenten. «Die Strafverfolgung ist Staatsmonopol, sprich Aufgabe der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Private Personen sind dazu nicht befugt.»

Wenn sich Facebook-User als Polizisten ausgeben und andere Personen befragen und verhören, «dann ist dies eine Amtsanmassung», sagt der Strafrechtler. Eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren droht.

Noll sagt, dass wegen Facebook-Agenten auch Internet-Hetzjagden entstehen können. «Veröffentlicht eine Person auf Facebook Foto und Adresse einer anderen Person, die im Verdacht steht, jemanden verletzt zu haben, stellt man den Beschuldigten öffentlich an den Pranger.» Ergo: «Dann nimmt man häufig eine öffentliche Aufforderung zu Verbrechen und Gewalttätigkeit in Kauf.» Strafe: bis zu drei Jahre.

Überdies werden Persönlichkeitsrechte verletzt, wenn ohne Einwilligung des Gegenübers Fotos auf Facebook veröffentlicht werden.

Auch der Basler Anwalt Andreas Noll hält nichts von Facebook-Agenten. «Die Strafverfolgung ist Staatsmonopol, sprich Aufgabe der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Private Personen sind dazu nicht befugt.»

Wenn sich Facebook-User als Polizisten ausgeben und andere Personen befragen und verhören, «dann ist dies eine Amtsanmassung», sagt der Strafrechtler. Eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren droht.

Noll sagt, dass wegen Facebook-Agenten auch Internet-Hetzjagden entstehen können. «Veröffentlicht eine Person auf Facebook Foto und Adresse einer anderen Person, die im Verdacht steht, jemanden verletzt zu haben, stellt man den Beschuldigten öffentlich an den Pranger.» Ergo: «Dann nimmt man häufig eine öffentliche Aufforderung zu Verbrechen und Gewalttätigkeit in Kauf.» Strafe: bis zu drei Jahre.

Überdies werden Persönlichkeitsrechte verletzt, wenn ohne Einwilligung des Gegenübers Fotos auf Facebook veröffentlicht werden.

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