Auf einen Blick
- Zürcher Oberstaatsanwaltschaft will mit Mediation Zahl der Strafverfahren reduzieren
- Mediation zielt auf Verständnis und Kommunikation zwischen Streitparteien ab
- Dreijähriges Projekt unter Leitung von Staatsanwältin Susanne Fischer (45)
Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft hat ein Projekt lanciert, das darauf abzielt, Fälle im Erwachsenenstrafrecht zu schlichten, statt vor Gericht zu bringen. Die neuen Mediationen sollen zur Einigung zwischen den Parteien führen, Pendenzen abbauen – und langwierige Untersuchungen verhindern.
Seit vergangenem September ist im Kanton Zürich Staatsanwältin Susanne Fischer (45) mit dem Projekt zum Aufbau des Angebots betraut. Sie verfolgte davor viele Jahre lang Schwerverbrecher, klärte Fälle von Drogen- und Menschenhandel sowie Bandenkriminalität.
Schlichten statt Streiten
Dass sie nun eine «softe» Aufgabe übernimmt, die Vermittlung und Schlichtung anstrebt, sieht Fischer nicht als komplette Neuorientierung. Im Gespräch mit Blick sagt die Staatsanwältin, sie interessiere sich schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn für die Möglichkeiten und Ausrichtungen von Mediation. Diese sei für viele Arten von Delikten anwendbar, «auch wenn es gewisse Ausschlusskriterien gibt und die Mediation bei stark eskalierten Konflikten nicht sinnvoll ist».
Um zu eruieren, in welchen Strafverfahren eine Mediation zu einer gütlichen Lösung führen könne, brauche es zunächst die Einschätzung des zuständigen Staatsanwalts. Dieser entscheide dann auch, ob er ein Verfahren gestützt auf eine Einigung in der Mediation einstellen könne oder ob das übergeordnete öffentliche Interesse nur eine das Strafverfahren begleitende Mediation zulasse.
Einander zuhören
In einer Mediation liege der Fokus darauf, die Beteiligten zu verstehen, sie wertfrei und ohne zu urteilen anzuhören, sagt Fischer. «Die Mediatorin oder der Mediator helfen dabei, herauszufinden, was hinter einem Konflikt steckt. Ein Straffall, bei dem eine Mediation Sinn ergeben könne, sei beispielsweise ein Nachbarschaftsstreit, bei dem es zu Ehrverletzungen und Drohungen komme. «Mit Mediation kann es gelingen, dass die Streitparteien Verständnis füreinander sowie eine gemeinsame Kommunikationsbasis finden. Auf dieser Grundlage können die Parteien dann selbst Lösungen für ihren Konflikt vorschlagen.»
Mit diesem Ansatz könne erreicht werden, dass die Beschuldigten zu echter Einsicht gelangen und dies den Geschädigten mit Wort und Tat zeigen können. «Das kann für die geschädigte Partei genau das bewirken, was man mit einer Anzeige meist erreichen will, nämlich, dass die beschuldigte Partei versteht und so weit wie möglich wiedergutmacht, was sie mit ihrem Verhalten ausgelöst hat», sagt Fischer. Es müsse aber stets zuerst das Einverständnis der Beteiligten für diesen Weg eingeholt werden. In besonders verhärteten Konflikten sei es oft auch nötig, Überzeugungsarbeit für den Nutzen einer Mediation zu leisten.
Andernorts bewährt
Bei welchen Delikten Mediationen in Strafverfahren gegen Erwachsene im Kanton Zürich angewandt werden sollen, ist laut Fischer noch nicht definiert. Zur Frage, ob es nach Einleitung eines Strafverfahrens nicht zu spät für eine Mediation sei, verweist Fischer auf die guten Erfahrungen der Kantone Genf, Neuenburg und Freiburg mit strafrechtlichen Mediationen sowie auf die seit Jahren vielerorts bewährte Anwendung von Mediationen im Jugendstrafrecht.
In anderen Kantonen wird das Vermittler-Modell etwa in arbeits-, bau- und familienrechtlichen Streitigkeiten, Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn, Beschimpfungen sowie in Fällen von unlauterem Wettbewerb angewandt.
Unabhängigkeit zentral
Wichtig sei, dass die dereinst eingesetzten Mediatorinnen und Mediatoren unabhängig vom jeweils fallführenden Staatsanwalt agieren könnten, sagt Fischer. «Deshalb gilt es zu klären, wie Fachleute ausgesucht werden und wer diese einsetzt.» In wie vielen Fällen künftig auf eine Einigung mit Mediation hingearbeitet werden könnte, ist laut Fischer noch nicht prognostizierbar.
Ebenso wenig lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt berechnen, ob und wie viel sich mit dieser Schlichtungsmethode sparen lasse. Fischer hält fest: «Auch falls sich nur wenige Strafverfahren mit einer Mediation vorzeitig abschliessen lassen: Jeder Versuch, eine Mediation durchzuführen, lohnt sich.»