«Ich träume jede Nacht davon, dass ich ausziehen muss»
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Rentnerpaar über ihre Angst:«Ich träume jede Nacht davon, dass ich ausziehen muss»

Stiftung verkauft Haus – Rentnerpaar Scheidegger verzweifelt
«Wir bekommen keine andere Wohnung – das ist das Ende»

Horror für Mieter einer Altbausiedlung im oberen Zürcher Seefeld: Ihr Zuhause ist zum Verkauf ausgeschrieben. Die wohltätige Huber-Graf- und Billeter-Graf-Stiftung braucht Geld. Viele der langjährigen Mieter sehen schwarz für ihre Zukunft.
Publiziert: 08.03.2023 um 11:31 Uhr
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Aktualisiert: 08.03.2023 um 13:56 Uhr
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Ida (88) und Werner (84) Scheidegger wohnen seit 55 Jahren in dem Mehrfamilienhaus nahe dem Hegibachplatz. Jetzt verkauft die Stiftung das Haus, um einen möglichst hohen Erlös zu erzielen.
Foto: Nathalie Taiana
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Beat MichelReporter

Werner Scheidegger (84) ist verzweifelt. «Ich bin im Seefeld aufgewachsen, ich habe hier gearbeitet, wir haben drei Kinder hier grossgezogen. Es ist unwürdig, wenn wir jetzt unser Quartier aufgeben müssen.»

Auch seine Frau wird ernst, wenn sie an die drohende Kündigung des Mietvertrags denkt. «Wir haben hier unsere Freunde, hier kennen wir die Geschäfte. Es wäre sehr schwer, jetzt noch umzuziehen», sagt Ida Scheidegger (88). Und weiter: «Ich bin fast 90, das schaffe ich nicht mehr.»

Mindestgebot: 20 Millionen Franken

Am 2. Februar haben die Mieter in der Stadt Zürich per Brief erfahren, dass die Huber-Graf- und Billeter-Graf-Stiftung als bisherige Besitzerin das Haus verkaufen will. Auf der Website der beauftragten Immobilienfirma ist die Überbauung bereits ausgeschrieben. Als «einmaliges Angebot für Investoren, Mehrfamilienhaus mit erheblichem Potenzial/Neubau in Zürich» wird das Objekt angepriesen. Mindestgebot: 20 Millionen Franken. Detaillierte Unterlagen gibt es nur gegen eine Vertraulichkeitserklärung. Der Millionendeal soll möglichst unauffällig über den Tisch gehen.

Das Ehepaar Scheidegger kann es nicht glauben. Sie sind vor 55 Jahren in die Wohnung am Hegibachplatz eingezogen. Die Geschichte klingt in der Zeit der Wohnungsnot wie ein Märchen: «Wir wohnten gegenüber in einer kleinen Wohnung. Der damalige Hausmeister hat meine Mutter beobachtet, wie sie mit unseren drei Kindern spazieren ging. Er fragte uns dann einmal, ob wir vielleicht eine grössere Wohnung suchen. Wir zogen natürlich gleich ein», erzählt das Paar.

Freiwillig geht niemand

Nun geben sie sich kämpferisch: «Wir ziehen nicht ohne Gegenwehr aus», sagen sie. Prominente Unterstützung erhalten sie durch den Schweizer Schauspieler René Schoenenberger (77). Er wohnt seit 33 Jahren im Haus. Für den Pfarrer-Darsteller in «Lüthi und Blanc» ist der drohende Abriss des Hauses unerträglich.

Bereits 2018 musste er seine Wohnung verlassen, weil der oberste Stock saniert wurde. «Aber damals kümmerte sich die Stiftung noch um ihre Mieter», sagt Schoenenberger. «Ich durfte in eine frei gewordene Wohnung im Stock darunter einziehen.»

Vor zwei Jahren starb der Verwalter, der die Liegenschaft betreute. «Von da an ging es bergab», sagt Rentner Scheidegger. «Früher kam er regelmässig im Haus vorbei und fragte nach unseren Wünschen. Als Letztes erhielten wir eine neue Dusche», sagt Werner Scheidegger. Sie seien sehr zufrieden mit der Wohnung. Das Problem: Wohnraum in der Nähe des neuen Kinderspitals ist mittlerweile viel Geld wert. Zu viel, um ihn für günstigen Wohnraum nutzen zu können. Denn bislang bezahlten die Mieter im Haus vergleichsweise wenig.

Möglichst viel Geld generieren

Dieter Gessler, Präsident des Stiftungsrats, sagt zu Blick: «Die Liegenschaft ist in die Jahre gekommen, es wird Zeit für eine Sanierung, soweit sich eine solche bei über 100 Jahre alten Wohnungen noch lohnt. Das ist aber nicht unsere Aufgabe. Wir sind eine wohltätige Stiftung und wollen möglichst viel Geld generieren, um arme und behinderte Menschen unterstützen zu können.»

Der Stiftung sei bewusst, dass es zu Härtefällen kommen könne. Aber: «Wir sind keine Stiftung für günstige Mieten. Es ist zwar gut, dass unsere Mieter profitieren konnten. Aber das ist nicht der Stiftungszweck», so Gessler weiter. Und weiter: «Die Stiftungsaufsicht hat uns die Auflage gemacht, dass die Liegenschaft einen möglichst hohen Verkaufspreis erzielt.»

Werner Scheidegger bringt das nichts. «Wir bekommen keine andere Wohnung mehr, uns nimmt keine Verwaltung mehr auf – das ist das Ende. Uns bleibt nur noch das Altersheim.»


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