Auf einen Blick
- Bundesamt für Umwelt legt neun Jahre nach Bau Beschwerde gegen Skilift ein
- Der Skilift steht in Flachmoor von nationaler Bedeutung mit besonderem Schutz
- Ersatzneubau des 380 Meter langen Tellerlifts kostete etwa 650'000 Franken
37 Busstationen passiert man auf dem Weg von Thun zum SnowPark Eriz BE. Am Wegesrand stehen vereinzelte Bauernhöfe, Halt gibt es nur auf Verlangen. «Für die Gemeinden hier sind unsere Skilifte wichtig», sagt Thomas Reusser, Verwaltungsratspräsident der Skilift AG Innereriz. Andere Freizeitangebote gebe es in einer so abgeschiedenen Gegend kaum, am wenigsten für junge Familien.
Es ist nicht primär der Klimawandel, der dem kleinen Skigebiet in den Berner Voralpen zu schaffen macht. Die Saison läuft verhältnismässig gut, auf den Pisten liegt Schnee. Wankelmütiger als das Wetter zeigt sich die Schweizer Bürokratie. Im letzten Frühling erreichte die Betreiber per Post eine Hiobsbotschaft: Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) hat Beschwerde gegen den Ersatzneubau des Tellerlifts «Schwändli» eingelegt. Neun Jahre nachdem dieser mit einer ordentlichen Baubewilligung errichtet wurde, soll ihm diese nun nachträglich entzogen werden. Der Grund dafür: Der 380 Meter lange Kinderlift steht in einem Flachmoor von «nationaler Bedeutung» und geniesst so verfassungsrechtlichen Schutz.
Ende des Skilifts, Ende des Skigebiets
Für die Betreiber wäre ein Abbau des Lifts verheerend. «Das wäre der Todesstoss für uns», sagt Reusser. «Unser Unternehmen würde wohl nicht überleben.» Neben dem kurzen «Schwändli» gibt es in Eriz noch einen längeren Skilift für die Eltern und das Kinderland für die ganz Kleinen. «Das Skigebiet richtet sich an Familien», so Reusser. «Wenn der Kinderlift wegfällt, bricht das Geschäftsmodell ein.»
Vor Ort ist das drohende Ende des Skigebiets ein emotionales Thema, seit die «Berner Zeitung» den Rechtsstreit öffentlich machte. «Der Verlust wäre riesengross», sagen Daniela und Rahel, die als Saisonniers bei der Talstation arbeiten. «Eltern kommen mit ihren Kindern hierher, und die Kinder dann wieder mit ihren Kindern.» Dies bekräftigt auch Friedrich, ein deutscher Rentner, der mit sechs Jahren in Eriz Ski fahren gelernt hat und nun in einem Vereinsladen lokale Spezialitäten verkauft. «Ich dachte eigentlich, nur die Deutschen versuchen, Business zu verhindern.»
Alter Skilift war Sicherheitsrisiko
Den Skilift neu aufzubauen, sei 2015 dringend nötig gewesen, erklärt dessen Betreiber Reusser bei einem Kaffee im «Schneehas», einer Beiz am Pistenrand. Am Nebentisch jasst eine Altherrenrunde, an der Theke werden neben Zweifel-Chips auch Jodler-CDs verkauft. Der alte Tellerlift aus den 70ern habe den internationalen Sicherheitsstandards nicht mehr entsprochen, so Reusser. Auch Ersatzteile zu finden, war nicht mehr möglich. Eine blosse Sanierung hätte nicht gereicht.
Dass es sich um ein heikles Bauprojekt handelt, war den Skilift-Betreibern bewusst. Um den strengen Auflagen gerecht zu werden, begleitete ein unabhängiger Biologe die gesamte Bau- und Planungsphase. «Die Bauherrschaft war stets bereit, Rücksicht auf Landschaft, Natur und Boden zu nehmen», heisst es in dessen Abschlussbericht. In Absprache mit dem Biologen habe man die Masten so schonend wie möglich angebracht, erzählt Thomas Reusser. «Wenn der Skilift gravierende Auswirkungen auf die Moorlandschaft hätte, dann wäre ich einverstanden: Der Lift muss weg.»
Stadtpräsident von Thun plant Vorstoss
Der Aufwand schien sich zu lohnen: Das Regierungsstatthalteramt Thun segnete den Ersatzbau 2015 ohne Auflagen ab. Wie sich nun aber herausstellt, hatten es die kantonalen Behörden offenbar versäumt, das Bafu in die Entscheidung mit einzubeziehen. Von der Existenz des Skilifts erfuhr die Bundesbehörde erst letztes Jahr, nach eigenen Angaben zufällig. Mit dem Bauentscheid ist das Bafu nicht einverstanden – neben der Verletzung der Meldepflicht moniert es, dass die Ausnahmebewilligung für den Skilift dem «absoluten» Schutz widerspreche, den die Schweizer Verfassung für Moore von nationaler Bedeutung vorschreibt.
«Die Bundesverfassung in Ehren», sagt Reusser. «Aber das ist nicht nachvollziehbar.» Nach seinem Empfinden kommt der Einspruch deutlich zu spät. «So schafft man eine enorme Unsicherheit für Unternehmen.» Rund 650’000 Franken hat der Aufbau damals gekostet, ein Betrag, der sich bis heute noch nicht refinanziert hat. In der Politik regt sich nun Widerstand. «Auch die Verhältnismässigkeit ist in der Verfassung verankert», sagt Raphael Lanz (SVP), Stadtpräsident von Thun. «Die Betreiber selbst haben nichts falsch gemacht.» Für nächste Woche plant er eine erste Anfrage im Berner Grossrat, weitere Schritte sollen folgen.
Erste Schlappe für Skilift-Betreiber
Ein Geheimnis machte die Skilift AG aus dem Ersatzbau nie. Er war im Amtsblatt verzeichnet, sogar die «Berner Zeitung» berichtete darüber. Das Einzige, was anscheinend fehlte, war die Absprache zwischen den Behörden. Das Bafu dagegen betont in seiner Beschwerde, dass sich das Bundesgericht in vergleichbaren Fällen bereits mehrfach für die Wiederherstellung des natürlichen Zustands ausgesprochen habe, «selbst bei Projekten, die für die Eigentümer mit sehr hohen Kosten verbunden sind».
Die Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern (BVD), die über den Rechtsstreit in erster Instanz zu urteilen hatte, gibt der Beschwerde des Bafu zu weiten Teilen recht – und erklärt die Baubewilligung von 2015 für ungültig. Für den neunjährig verspäteten Einspruch macht das BVD eine «hinkende Rechtskraft» geltend. Dies bedeutet: Für das Bafu beginnt die Einspruchsfrist erst, wenn sie vom Projekt erfährt, egal wie lange die reguläre Frist bereits vorbei ist.
Die Skilift-Betreiber haben den Fall nun vor das Berner Verwaltungsgericht weitergezogen, zur Not wollen sie vors Bundesgericht. Bleibt die Baubewilligung aus, wird ein Wiederherstellungsverfahren zwingend. Ein Abbau des Tellerlifts wäre aufwendig, bis zu 250’000 Franken könnte er laut Reusser kosten. Für den Betrag aufkommen müssten die Betreiber einstweilen aus eigener Tasche, wenngleich sie auf Staatshaftung spekulieren können. Das Bafu möchte zum Fall aktuell keine Stellung nehmen.