Schweizerdeutsch-Unterricht für Romands?
«Schwiizertüütschi» Sprache, schwere Sprache

Ein Politiker fordert Schweizerdeutsch-Lektionen in Waadtländer Schulen. Qu’en pensent les Romands? Die bilingue Autorin befragt ihr Umfeld.
Publiziert: 19.03.2023 um 10:20 Uhr
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Aktualisiert: 20.03.2023 um 14:45 Uhr
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So dürfte sich das Sprachenlernen für die Welschen in etwa anfühlen.
Foto: Igor Kravarik
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Camille KündigRedaktorin SonntagsBlick

Beim Brunch im Zürcher Szenerestaurant macht mein Besuch aus der Romandie grosse Augen. Etwa wenn der Kellner fragt, was zum «Zmorge» gewünscht wird. Und was meint er wohl, wenn er anbietet, für das Kind ein «Bäbi» zu bringen? «Ich weiss nicht, ob sie Niederländisch oder Schweizerdeutsch sprechen – sicher ist nur: Ich verstehe kein Wort», sagt meine Freiburger Freundin Pauline (31).

Stellen Sie sich vor, Sie pauken Wörter, Konjugation und Grammatik einer Sprache. Doch sobald Sie die Kenntnisse anwenden, stossen sie an Grenzen. «Wir lernen jahrelang eine Sprache, die uns wenig bis gar nichts bringt», sagt mir Emmanuelle St-Bertin (32), eine gute Freundin aus der Romandie. Zum echten Austausch mit den «Bourbines» in den Deutschschweizer Kantonen müssten sie praktisch eine weitere Fremdsprache erlernen: das «Schwiizertüütsch».

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«Wir lernen jahrelang eine Sprache, die uns wenig bis gar nichts bringt.»
Emmanuelle St-Bertin
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Diese Woche sorgte der Waadtländer Kantonsrat David Raedler (36) mit einem Vorstoss für eine Kontroverse. Er fordert die Kantonsregierung auf, in den Schulen Schweizerdeutsch unterrichten zu lassen. «Ça serait super!», meint meine Kollegin Camille Guillaume (30), die nach der Schule einen viermonatigen Sprachaufenthalt in Berlin absolvierte. «Dann bin ich ins Berufsleben eingestiegen und habe realisiert: Ich wäre besser in die Deutschschweiz gegangen!» Gemäss Schätzungen spielen sich hierzulande über 60 Prozent aller Geschäftskontakte im Dialekt ab, im Vergleich zu lediglich 34 Prozent auf Standarddeutsch.

Mundartkenntnisse würden der Waadtländer Schülerschaft auf dem Arbeitsmarkt helfen und den Zusammenhalt des Landes stärken, schreibt David Raedler in seinem Postulat.

Man müsste sich auf einen Dialekt einigen

Aktuell arrangieren sich Romands und «Bourbines», wie sie können. Teils bekomme ich mit, wie meine Freunde in der interkulturellen Kommunikation zwischen Landesgenossen irgendwann desillusioniert in die Sprache Shakespeares wechseln. Rui de Freitas (35) meint: «Gute Hochdeutschkenntnisse sind zentral. Aber ich will nicht, dass die Deutschschweizer meinetwegen Hochdeutsch sprechen müssen.» Daher paukte er schweizerdeutsche Vokabeln und ruft zur Begrüssung nun: «Grüezi!»

Das Problem: In der Schweiz gibt es eine Vielzahl an Dialekten. «Man müsste sich im Unterricht von uns Romands unbedingt auf einen Dialekt einigen», sagt meine Kollegin Laetitia Papaux (31). Stefania Ruch (31), eine Freundin aus der Waadt, plädiert derweil für mehr Austauschprogramme zwischen den Sprachregionen: «Idealerweise über mehrere Wochen hinweg.»

Einige Kantone bieten bereits Schwiizertüütsch-Kurse an: die französischsprachigen Schulen im Kanton Bern etwa. In Genf können Schüler Lektionen zum Thema «Bewusstsein für Deutschschweizer Dialekte und Kultur» besuchen. In Neuenburg gibt es seit 2020 Ähnliches. Das Walliser Kantonsparlament hingegen lehnte Schwiizertüütsch-Lektionen 2012 haushoch ab.

Das Votum meiner Freunde stünde fest: «Schweizerdeutsch-Unterricht würde den Röstigraben verkleinern.»

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