Michael Matthiessen (63), der EU-Botschafter in Bern, geht auf die Schweiz los. An einem Podiumsgespräch sagte er diese Woche zum Thema Rahmenabkommen unter anderem: «Wer nicht am Tisch sitzt, kommt auf die Speisekarte!» Mit andern Worten: Macht ihr nicht mit, werdet ihr gefressen. Zudem spottete er über die Stimmbeteiligung, die in der Schweiz bei den letzten Wahlen etwas tiefer lag als jene in der EU.
«So arrogant!»
Diese Aussagen bringen Schweizer Spitzenpolitiker auf die Palme. Nicht nur SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (40, ZG), der von einer «Arroganz spricht, mit der die EU einmal mehr die Schweiz behandelt». Auch CVP-Vize-Fraktionschef Leo Müller (61, LU) gerät in Wallung. «In einer so heiklen Phase, in der wir uns mit den Verhandlungen zurzeit befinden, gehen solche Aussagen gar nicht – erst recht nicht, wenn sie von einem Diplomaten stammen!»
«Der Teufel liegt im Detail»
Die Mehrheit der Länder, mit denen Brüssel verhandle, sei nicht Mitglied der EU. «Nur wegen ihrer geografischen Lage die Schweiz auf die Speisekarte zu setzen, zeugt von grosser Verachtung und Unqualifiziertheit», sagt Müller und ergänzt, dass die Schweiz zurzeit in die Ecke gedrängt werde, obwohl sie immer alle Verträge eingehalten habe. Auch auf den Vorwurf von Matthiessen, die Schweiz halte sich beim Rahmenabkommen zu sehr bei Details auf, statt das Gesamtbild zu betrachten, hat Müller eine Antwort: «Als Jurist weiss ich, dass der Teufel oft im Detail liegt.»
Man kann es auch positiv sehen
FDP-Fraktionsschef Beat Walti (50, ZH) vergleicht Matthiessens Aussagen mit der Drohung des ehemaligen deutschen Finanzministers Peer Steinbrück (72), die Kavallerie gegen die Schweiz loszulassen: «Solche Bonmots passen einmal mehr, einmal weniger.»
Man könne Matthiessens Verhalten aber auch zum Positiven drehen: «Es zeigt die angespannte Lage, die auch in Brüssel herrscht, und dass die EU dem Thema eine grosse Bedeutung beimisst.» Walti hält die Aussagen dennoch für unangebracht. «Der EU-Botschafter sollte die innenpolitische Lage in der Schweiz besser kennen als jene EU-Vertreter im fernen Brüssel und nicht noch mehr Öl ins Feuer giessen.»