Weil Thomas Schilliger (41) Ferien macht – zum ersten Mal seit neun Jahren –, könnte er seine Firma verlieren. Gemeinsam mit Lebens- und Geschäftspartnerin Ruth Hess (36) fliegt Schilliger am 22. Februar in die spanische Wohlfühloase Teneriffa. Meer, Drinks mit Schirmchen und Strandspaziergänge sollen einen Kontrast zum erfüllten, aber stressigen Leben in der Schweiz bieten.
«Bleiben Sie bis auf Weiteres in Ihrem Zimmer»
2011 gründete der gelernte Automechaniker seine eigene Transportfirma. Die Idee: LKW-Chauffeure an andere Firmen vermieten. Das Geschäft brummt: Fünf Personen arbeiten unterdessen für das Unternehmen in Rotkreuz ZG, für den Chef sind 16-Stunden-Tage die Regel.
Nun also endlich der verdiente Urlaub, der erste seit 2011. Das Paar geniesst die Pauschalreise im riesigen Hotelkomplex namens H10 Costa Adeje Palace Hotel. Bis das Hotelpersonal am 25. Februar den Gästen ein Papier unter dem Türschlitz durchschiebt. «Aus Gründen der Gesundheit wird das Hotel abgeriegelt. Bitte bleiben Sie bis auf Weiteres in Ihrem Zimmer», steht darauf. Diese «Gründe der Gesundheit» tragen einen Namen: Coronavirus.
Fünf Gäste positiv, Hunderte in Quarantäne
Im Hotel der beiden Schweizer logierte ein italienischer Arzt, der positiv auf das Virus getestet wurde. Wenig später kamen weitere Fälle aus seiner Reisegruppe hinzu, bis heute sind fünf ehemalige Gäste des Vier-Sterne-Resorts infiziert. Der Hotelkomplex wurde zur riesigen Quarantänestation, über 700 Gäste dürfen ihn nicht verlassen.
«Wir sind vollkommen gesund», sagt Thomas Schilliger zu BLICK. Andere Gäste baden mittlerweile wieder im Pool oder gehen in den Esssaal. Das Schweizer Paar verlässt das Zimmer nicht, auch wenn es vor dem Virus keine Angst hat. «Offiziell ist es noch nicht erlaubt. Wir gehen lieber auf Nummer sicher.»
Jeden Tag erhalten die Schweizer ein Lunchpaket, bestehend aus Sandwich und Orangensaft, manchmal mit einem Apfel. Sie schlagen die Zeit tot, spielen «Schiffe versenken» oder schauen TV. Was Schilliger stört: «Bisher wurden wir nicht einmal getestet. Dabei hatten wir in den ersten Tagen viel Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung. Die müssten doch informiert werden, falls wir positiv sind.»
«Kostet uns täglich 15'000 Franken»
Am Telefon wirkt der Rotkreuzer ruhig, überlegt, gefasst. Innerlich sieht es anders aus. Seine Firma kämpft ums Überleben. Weil er und seine Partnerin nicht vor Ort sind, mussten sie bereits Aufträge absagen und Zahlungen hinauszögern. «Jeder Tag, an dem wir nicht im Büro sind, kostet uns ungefähr 15'000 Franken», sagt Schilliger. Da sind nebst Fixkosten auch Konventionalstrafen für nicht eingehaltene Verträge eingerechnet. Wie lange das so weitergehen kann, weiss der 41-Jährige nicht. «Ich sorge mich am meisten um meine Angestellten. Das sind alles Kollegen, wir sind ein familiärer Betrieb.»
Bis mindestens am 10. März müssen die beiden noch ausharren, so haben es ihnen die spanischen Behörden gesagt. «Ich fühle mich hilflos. Wir sitzen hier kerngesund fest und müssen uns um unsere Zukunft sorgen. Im Transportgewerbe verdient man nicht mehr so viel wie früher, da kann man sich kein grosses Polster aufbauen.»
«Mein Lebenswerk wird zerstört»
Helfen könnte den beiden der Bund. Die spanischen Behörden haben verkündet, dass alle nicht infizierten Gäste vor Ablauf der Quarantänefrist nach Hause dürfen, wenn ihre Heimatländer einen Charterflug bereitstellen und für die Einhaltung der Gesundheitsprotokolle sorgen. Grossbritannien lässt seit diesem Wochenende die Gäste im Hotel testen, die Schweizer gehen leer aus. «Ich telefoniere jeden Tag mit dem Aussendepartement – da sind die Leute zwar nett, aber sie können uns nicht helfen. Sie sagen, dass der Bundesrat zuständig sei.»
An diesen richtet Thomas Schilliger eine Bitte: «Ich möchte mit einem Bundesrat telefonieren, ihm die Situation erklären. Es kann doch nicht sein, dass mein Lebenswerk zerstört wird, wenn es allenfalls eine andere Lösung gibt.» Das Virus müsse ernst genommen werden – aber nicht weniger die wirtschaftlichen und privaten Sorgen der Bürger.
Das Aussendepartement EDA lässt auf BLICK-Anfrage ausrichten: «Gemäss dem Auslandschweizergesetz können Schweizer Staatsangehörige kein Anrecht auf eine organisierte Ausreise aus einem Krisengebiet geltend machen.» Man leiste aber selbstverständlich Schweizer Staatsangehörigen im Ausland in Krisensituationen Beistand im Rahmen des Möglichen.
Das neue Coronavirus hält die Welt in Atem. Doch was genau ist das Sars-ähnliche Virus überhaupt? Wie entstand es? Und wie kann man sich schützen? BLICK klärt hier die wichtigsten Fragen und hält Sie im Newsticker auf dem Laufenden.
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