Bundesrat habe schlecht verhandelt
Bürgerliche ärgern sich über Ost-Milliarde

Der Bundesrat hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine weitere Kohäsionsmilliarde zugesichert. Das kommt bei den meisten Bundesratsparteien nicht gut an. Sie wollen zuerst wissen, wie es mit dem Rahmenabkommen weitergeht.
Publiziert: 23.11.2017 um 16:38 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:55 Uhr

Die deutlichsten Worte findet der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann. «Der Bundesrat hat heute gar nicht verhandelt», sagte er der Nachrichtenagentur sda. Beim Treffen habe er ein «Schönwetterverhalten» gegenüber der EU an den Tag gelegt, das nichts mit der Realität hierzulande zu tun habe, kritisiert Portmann.

FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann
Foto: KEY

Der FDP-Nationalrat spielt dabei auf das umstrittene Rahmenabkommen an, das längst überholt sei. Das Abkommen werde kaum eine Volksabstimmung überstehen. Die Zusage zur Kohäsionszahlung kommt aus seiner Sicht deshalb zur «Unzeit». Zuerst müsse der Bundesrat einen gangbaren Weg mit Brüssel aufzeigen.

Die FDP knüpft den Kohäsionsbeitrag an drei Bedingungen: Neben nachhaltigen Fortschritten im bilateralen Verhältnis müssten die Projekte der Schweiz konkret einen Mehrwert bieten. Der Beitrag sei schliesslich kein Geschenk, sondern eine Investition in die Zukunft der bilateralen Beziehungen.

Weiter fordert die FDP im Europadossier eine umfassende Auslegeordnung. Der Bundesrat müsse aufzeigen, wie er langfristig die Interessen der Schweiz vertreten und die bilateralen Verträge weiterführen wolle. Liege ein akzeptabler Weg auf dem Tisch, stehe die Partei auch dem Kohäsionsbeitrag positiv gegenüber.

CVP wünschte sich konkretere Ergebnisse

CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (BL)
Foto: parlament.ch

Zufrieden mit den Resultaten zeigte sich die CVP. «Der Bundesrat hat in den Verhandlungen mit der EU viel rausgeholt», erklärte CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (BL) auf Anfrage. Sie hätte sich aber konkretere Ergebnisse gewünscht.

Beim Rahmenabkommen etwa sei der Bundesrat zu vage geblieben. «Für die CVP ist es wichtig, dass die Schweiz und die EU eine institutionelle Lösung finden, die auch innenpolitisch akzeptiert wird.» Ob das der Fall sei, liesse sich derzeit nicht einschätzen.

Die Unterstützung beim Kohäsionsbeitrag macht sie denn auch vom Ausgang beim Rahmenabkommen abhängig. Ihre Partei unterstütze zwar ein weiteres Engagement der Schweiz. Für sie sei jedoch klar, dass der Beitrag nicht losgelöst vom Rahmenabkommen betrachtet werden könne. Dafür müssten erst die institutionellen Fragen geklärt sein.

SVP grundsätzlich dagegen

Die SVP lehnt die Kohäsionsmilliarde aus grundsätzlichen Überlegungen ab. Um gut dazustehen, habe Bundespräsidentin Leuthard der EU ein frühes Weihnachtsgeschenk auf Kosten der Steuerzahler gemacht - ohne eine nennenswerte Gegenleistung dafür zu erhalten, schreibt die Partei.

Damit lege der Bundesrat seine Karten leichtfertig auf den Tisch, bevor das Spiel überhaupt erst richtig begonnen habe, und stelle die Interessen der EU einmal mehr über die Interessen der Schweiz. Die SVP fordere den Bundesrat nachdrücklich auf, der EU bis zum Beschluss des Parlaments keinerlei Versprechungen zu machen.

SP zufrieden

Die SP wertet den Entscheid des Bundesrates, den Kohäsionsbeitrag fortzuführen, als richtig. Ein stabiles und prosperierendes Europa sei ganz im Interesse der Schweiz, schreibt die Partei auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. «Mit diesen Zahlungen leisten wir einen solidarischen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels.»

Zufrieden zeigte sich auch Estland, das zurzeit den Vorsitz unter den EU-Mitgliedstaaten innehat. «Wir freuen uns auf eine rasche und reibungslose Umsetzung des Entscheids», heisst es in einer Stellungnahme.

Zudem sei man überzeugt davon, «dass dieser neue Schweizer Kohäsionsbeitrag vielen Projekten helfen wird, die zum Ziel haben, die wirtschaftliche und soziale Ungleichheit in der EU zu reduzieren». Ausserdem würden dadurch die bilateralen Beziehungen gestärkt, hiess es weiter.

Empfang in Bern

Am Verhandlungstisch: die Schweizer Regierung vertreten durch Bundespräsidentin Leuthard und Bundesräte Alain Berset und Ignazio Cassis und die EU-Delegation mit EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker.
Foto: REUTERS

Eine Delegation des Bundesrats unter der Leitung von Bundespräsidentin Doris Leuthard hatte Juncker am Donnerstag in Bern empfangen. Im Anschluss gab Leuthard bekannt, der Bundesrat werde die Weichen für einen neuen Erweiterungsbeitrag stellen.

1,1 Milliarden Franken sollen in die Berufsbildung investiert werden. 200 Millionen Franken will der Bundesrat im Bereich Migration einsetzen. Die EU erwartet die Beteiligung an der Entwicklung neuer EU-Länder als Gegenleistung für die Teilnahme am EU-Binnenmarkt.

Mit einer ersten Kohäsionsmilliarde sind in den 13 neuen Ländern rund 300 Projekte finanziert worden. Die gesetzliche Grundlage für einen weiteren Kohäsionsbeitrag hat das Parlament bereits letztes Jahr verabschiedet. Nun müssen die Räte noch die nötigen Kredite genehmigen.

Rahmenabkommen erst im Frühjahr

Beim wichtigen Rahmenabkommen über institutionelle Fragen hatte der Bundesrat jedoch keine Fortschritte zu vermelden. Beide Seiten hätten sich gewünscht, dass dieses Abkommen schon Ende Jahr stehen würde, sagte Leuthard vor den Bundeshausmedien. Juncker sprach von einem «Freundschaftsvertrag». Es habe Fortschritte gegeben. Der Abschluss sei für das kommende Frühjahr geplant.

Obwohl es beim Rahmenabkommen keine Fortschritte gab, steht Leuthard nicht mit leeren Händen da. Zum einen stellt der erste offizielle Besuch eines EU-Kommissionspräsidenten seit bald zehn Jahren einen Höhepunkt ihres Präsidialjahrs dar. Zum anderen konnten in den letzten Monaten in verschiedenen Dossiers Fortschritte erzielt werden.

Die EU willigte ein, ihr CO2-Emissionshandelssystem mit jenem der Schweiz zu verknüpfen. Das entsprechende Abkommen ist am Donnerstag im Beisein von Juncker und Leuthard unterzeichnet worden. Zudem wurde diese Woche in Brüssel ein Abkommen paraphiert, das den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf die Eurodac-Datenbank ermöglicht.

Das für die Schweizer Wirtschaft wichtige Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertungen ist bereits im Sommer aktualisiert worden. Bewegung soll es auch bei der Gleichwertigkeits-Anerkennung der Börsen-Regulierung geben. Laut Juncker will sich die EU-Kommission Anfang Dezember damit befassen. Konkrete Zugeständnisse machte er aber nicht.

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