Schmutzige Blicke und anzügliche Sprüche
Sport? Für Frauen kein leichtes Spiel

Jede zweite Frau in der Schweiz treibt regelmässig Sport. Es könnten noch viel mehr sein – wären da nicht jene Männer, die das Fitnesscenter mit einer Dating-Plattform verwechseln.
Publiziert: 15.08.2021 um 18:29 Uhr
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51 Prozent der Frauen sind mindestens drei Stunden pro Woche sportlich aktiv.
Foto: keystone-sda.ch
Evgenia Kostoglacis

Frauen treiben heute deutlich mehr und häufiger Sport als vor 20 Jahren. 51 Prozent sind mindestens drei Stunden pro Woche sportlich aktiv, zeigt eine Studie des Bundesamts für Sport. Es könnten noch viele mehr sein – aber viele meiden das Training, weil sie sich von Männern bedrängt und belästigt fühlen.

Eva Krieger (22) spielt Volleyball beim ZUZU Beach. Sie tut es aus Leidenschaft. «Wenn ich Volleyball spiele, fühle ich mich sehr gut. Vor allem, wenn meine Familie und Freunde zuschauen und während des Spiels mit uns mitfiebern.» Auch Hannah B.* (21) treibt ihren Sport mit Leib und Seele: Sie ist Instruktorin bei der Fitnesskette Active Fitness. Trainieren im Fitnesscenter beschreibt sie als «Empowerment» – Geist und Körper fühlen sich stark.

Die Beachvolleyballerin hat jedoch nicht nur schöne Erfahrungen im Sport gemacht. Sie denkt an die Schweizer Meisterschaft in Baden AG zurück: «Natürlich waren viele Zuschauer da. Im Publikum befand sich dann aber auch ein Mann, der uns Spielerinnen auffällig mit seinem Handy filmte.» Für Eva Krieger war das ein unangenehmer Moment. «Ich fühlte mich sehr unwohl in meiner Haut. Aus dem einfachen Grund, dass man nicht weiss, was mit diesem Videomaterial später gemacht wird.»

Männer hören nicht auf zu gaffen

Instruktorin Hannah B., die sich sehr gut mit der Atmosphäre im Fitnesscenter auskennt, berichtet Ähnliches: «Beim Training im Fitnessstudio habe ich mich sehr oft unwohl gefühlt.» Männer hörten einfach nicht auf zu gaffen. «Ich versuche dann zuerst immer, böse zurückzustarren», berichtet sie, «in der Hoffnung, dass die stechenden Blicke aufhören.»

Wenn das nichts bringt, scheut die Instruktorin nicht vor einer Konfrontation zurück. «Mehrmals musste ich mein Training unterbrechen, um die Gaffer direkt anzusprechen. Ich machte ihnen klar, dass das Fitnessstudio keine Datingplattform ist. Schliesslich bin ich nicht hier, um jemanden kennenzulernen, sondern um Sport zu treiben und meine Arbeit zu machen.»

Lüsterne Blicke und aufdringliche Sprüche sind heute offenbar so weitverbreitet, dass viele Frauen eine Art Sportscheu entwickeln. Dafür gibt es heute einen Begriff: Gymtimidation – Abschreckung vom Gym. Eva Krieger lässt das Wort durch ihre unangenehmen Erfahrungen lebendig werden: «Ich erinnere mich an die Zeit, in der ich zum Trainieren in ein öffentliches Gym gehen musste. Ich tat mich recht schwer.» Der Grund? Die Sportlerin fühlte sich dort nicht sicher: «Von meinen Freundinnen habe ich mitbekommen, dass sie häufig komisch angestarrt werden oder dass Männer sie sogar während des Trainings im Gym fotografiert haben. Deswegen habe ich diesen Ort ziemlich schnell gemieden. Oder darauf geachtet, dass ich nie allein war. Sprich: Ich ging immer mit einer Mitspielerin meines Teams zum Training.»

Ungestörtes trainieren in Ladygyms

Das Fehlverhalten von Männern zwingt viele Frauen dazu, ihr Verhalten zu ändern.

Mittlerweile gibt es aus diesem Grund sogar Ladygyms – Fitnesscenter ausschliesslich für Frauen. Kathrin Schmidtke, stellvertretende Geschäftsführerin des Ladies Gym in Dietikon ZH: «Die Idee des Ladygyms entstand, damit Frauen ungestört, ohne anzügliche Blicke und auf ihre Bedürfnisse angepasst trainieren können. Immer mehr, vor allem junge Frauen schätzen genau das.»

Die Vorteile einer exklusiven Trainingsstätte liegen auf der Hand: «Frau ist unter sich und kann sich – egal, ob dünn, dick, alt oder jung – auf der Trainingsfläche auspowern oder soziale Kontakte pflegen.»

Aber auch in gemischten Fitnessstudios wird mittlerweile versucht, den Aufenthalt dort für Kundinnen angenehmer zu gestalten. Migros Fitnesspark betont auf Anfrage von SonntagsBlick ausdrücklich: «Generell gilt, dass wir keinerlei Belästigungen gegenüber unserer Kundinnen und Kunden tolerieren. Diese können sich immer an die Mitarbeitenden vor Ort wenden, sollten sie sich in irgendeiner Form unwohl fühlen.»

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