Dieser Brief versetzt die KV-Angestellte Sandrine C.* (38) in die dunkle Zeit während ihrer Kampfscheidung zurück. Die Gerichtskasse Bremgarten AG fordert von ihr 8394.95 Franken für den Prozess rund um ihre Scheidung vom April 2016. Davon sind 2141.75 Franken Verfahrenskosten und 6253.20 Franken Anwaltshonorar. Zahlbar innert 30 Tagen, steht als Randnotiz.
Die Mutter zweier schulpflichtiger Kinder ist verzweifelt. «Nach der Scheidung musste ich so heftig unten durch. Ich musste für mich und die Kinder oft Lebensmittel bei ‹Tischlein deck dich› beziehen. Dieser Kostenhammer ist kaum tragbar. Die Rechnung kommt genau zu dem Zeitpunkt, wo sich mein Leben normalisiert.» Noch lässt sich die Frau nach aussen nichts anmerken. Sie möchte auch unerkannt bleiben, um die Kinder zu schützen.
Kaum kehrt Normalität ein, kommt der Kostenhammer
Seit Januar 2022 hat die Kauffrau nämlich eine 50-Prozent-Stelle. Zusammen mit den Alimenten und Unterhaltsbeiträgen von ihrem Ex-Mann kommt sie so gut zurecht. «Wir konnten sogar einmal in die Ferien», sagt sie stolz. Doch kurz nach dem Ausfüllen der Steuererklärung, notabene im Kanton Schwyz, flattert die Rechnung vom Bezirksgericht Bremgarten in den Briefkasten von Sandrine C.
Als Reaktion auf die hohe Rechnung schickt die Kauffrau alle Unterlagen ein, um eine Abzahlung in monatlichen Raten zu erreichen. Doch die Zentrale Inkassostelle der Gerichte in Aarau kennt keine Gnade. Das Amt will Abzahlung von 400 Franken im Monat. Und das bei einem steuerbaren Einkommen von nur 445 Franken, nach allen Abzügen für die Kinder. Der Grund: Sandrine C. wohnt mit ihren beiden Kindern im Elternhaus, ein Reihenhäuschen, das ihr auch gehört. Das ist dem Amt offenbar erst Jahre nach der Scheidung aufgefallen. Die Beamten errechnen so ein Vermögen von 104'188 Franken.
In der Antwort vom 20. März heisst es: «Wir gewähren einen Freibetrag von 10'000 bis 15'000 Franken auf das Vermögen. Da Ihre Vermögenswerte diesen Betrag übersteigen, ist es unserer Ansicht nach möglich, die gestundeten Verfahrenskosten aus ihrem Vermögen zu bezahlen.» Wie das konkret sinnvoll möglich sein soll, bleibt im Dunkeln. Knallhart raten die Beamten, in letzter Konsequenz die Liegenschaft zu verkaufen.
Hausbesitz als Stolperstein
Als Grund für die harte Praxis wird Gerechtigkeit angeführt: «Wohneigentümer sollen nicht gegenüber einer Person privilegiert werden, die ihr Vermögen in anderen Formen als Wohneigentum angelegt haben.» Dass das Wohneigentum mit günstigen Lebenskosten für die Familie gekoppelt ist, vergessen Verfasser des Briefes. Und auch, dass auf dem Konto von Sandrine C. gähnende Leere herrscht.
Blick hat bei den Aargauer Gerichten nachgefragt. Trotz Vollmacht von Sandrine C. gibt es aber zu dem konkreten Fall keine Auskunft. Amtsgeheimnis! Generell erklärt Jacqueline Keller, Sprecherin der Aargauer Gerichte, aber, dass eine Partei, der die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde, zur Nachzahlung verpflichtet ist, sobald sie dazu in der Lage ist. Der Anspruch verjährt erst zehn Jahre nach Abschluss des Verfahrens.
*Name geändert