Bei einer Verkehrskontrolle Anfang September wurde der Medikamenten-Lieferantin Ramona Tschannen (27) der Führerschein entzogen (BLICK berichtete). Der Grund: Ein fehlerhafter Drogenschnelltest der Kantonspolizei Solothurn zeigte Benzodiazeptine (Wirkstoff in Schlafmittel) und Amphetamine an.
Zehn Tage lang konnte die Berufsfahrerin nicht arbeiten – und bangte um ihren Job. Ihr Chef kündigte ihr aber zum Glück nicht, den Ersatzfahrer musste sie aber selbst bezahlen.
Arbeitsrechtsexperte Roger Rudolph (47) erklärt BLICK, warum der Schnelltest-Pfusch der Kantonspolizei für Tschannen noch viel schlimmer hätte ausgehen können.
BLICK: Darf ein Arbeitgeber wegen eines unsicheren Schnelltests fristlos kündigen?
Roger Rudolph: Ja, das kann er. Fristlose Kündigungen, die nur auf einen Verdacht gestützt sind, sind auch rechtskräftig – auch wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Mitarbeiter unschuldig war. Der Mitarbeiter könnte aber in diesem Fall vollen Lohnersatz für die ganze Kündigungsfrist und zusätzlich eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen einklagen.
Kommen solche Kündigungen auf Verdacht häufig vor?
Ich hatte in den letzten Jahren mehrmals mit solchen Fällen zu tun. Wenn sich der Verdacht nicht bestätigt, kann der Mitarbeiter klagen – mit guten Chancen auf Lohnersatz und Entschädigung. Durchschnittlich erhält der Kläger etwa drei Monatslöhne Entschädigung. Meistens kommt der Verdacht, der zur Kündigung führt, aus dem eigenen Unternehmen – wie etwa, wenn ein Mitarbeiter innerhalb der Firma Geld klaut und erwischt wird. Im Fall von Frau Tschannen kam der Verdacht von einer staatlichen Behörde, das kommt äusserst selten vor.
Wenn der Mitarbeiter deswegen nicht arbeiten kann, muss er dann selbst für einen Ersatz sorgen?.
Nein, eigentlich müsste er das nicht. Im Fall von Frau Tschannen war nicht sie selbst, sondern der Staat schuld, dass sie nicht arbeiten durfte. Hier gilt grundsätzlich das Gleiche wie im Krankheitsfall: Der Arbeitnehmer hat Anrecht auf den normalen Lohn und muss sich nicht um einen Ersatz kümmern oder diesen gar bezahlen.
Wie kann ein Mitarbeiter in diesem Fall zu seinem Geld kommen?
Wenn der Arbeitgeber den Lohn nicht bezahlen will, kann der Arbeitnehmer klagen. Solange er aber noch angestellt ist, wäre das nicht gleich als erster Schritt zu empfehlen. Frau Tschannen hat ihren Lohn ja erhalten, bei ihr geht es lediglich um die Kosten für den Ersatzfahrer. Diese sollte sie bei ihrem Arbeitgeber einfordern, rechtlich hat sie Anrecht darauf.