Er habe keinen Grund, nervös zu sein, sagte Bauer Ulrich K.* (54) am Morgen der Urteilseröffnung zu den Medien. Der Landwirt, der durch den Fall Hefenhofen schweizweit Bekanntheit erlangte, sollte recht behalten: Statt über sechs Jahre Knast setzt es nur eine Mini-Strafe für den Quälbauern. Acht Monate bedingt! K. muss damit nicht hinter Gitter.
Und dies, obwohl die Staatsanwaltschaft über Jahre 15 Anklagepunkte gegen ihn sammelte. Die Richter sprechen den Bauern praktisch auf der ganzen Linie frei. Die Anwesenden im Gericht sind überrascht, als der vorsitzende Richter Ralph Zanoni das Urteil eröffnet. Es geht ein Raunen durch den Saal in Arbon TG.
Das Gericht berücksichtigte keinen einzigen Anklagepunkt für die schlechte Tierhaltung und die darauffolgende Hofräumung im Sommer 2017. Die zentralen Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft Bischofszell fielen in sich zusammen – wie ein Kartenhaus.
Dabei war der Katalog der Vorwürfe happig: mehrfache Tierquälerei, Gefährdung des Lebens, mehrfache Beschimpfung und Verleumdung, Verstösse gegen das Lebensmittel- und Tierschutzgesetz. Viele Besucher, wie auch die Journalisten, vermuteten am Dienstagmorgen einen Schuldspruch. Es stellte sich lediglich die Frage, wie hoch er ausfallen würde. Doch schon am Morgen blieb das Gericht weit hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück. Ulrich K.s Mitangeklagte bekamen allesamt mildere Strafen. Vereinzelt gab es Freisprüche.
«Mir kommt gleich das Kotzen!»
Dann die dicke Überraschung um den Hauptangeklagten: das Urteil gegen Ulrich K. Er muss acht Monate ins Gefängnis – sofern er sich in den nächsten vier Jahren etwas zuschulden kommen lässt. Und er kassiert eine Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen à 10 Franken. Dies, weil er einem verletzten Pferd beim Transport nicht gut geschaut hatte und somit in einem Fall den Tatbestand der Tierquälerei erfüllte. Schon in der Vergangenheit wurde K. wegen Tierquälerei verurteilt – daher auch sein unrühmlicher Übername «Quälbauer». Weiter hat er sich der groben Verletzung der Verkehrsregeln und missbräuchlicher Verwendung von Ausweisen und Schildern schuldig gemacht. Er hat seine Auto-Kontrollschilder nicht abgegeben, als der Kanton ihn dazu aufforderte. Und er fuhr in gefährlicher Manier auf das Trottoir, als Tierschützer seinen Hof belagerten.
Für den Rest der Anklagepunkte gab es entweder einen Freispruch, oder aber das Gericht liess sie fallen – oder sie sind verjährt. Ebenso verzichten die Richter auf ein Tierhalteverbot von 20 Jahren, wie das der Staatsanwalt gefordert hatte. Das ändert aber nichts am Fakt, dass noch immer ein verwaltungsrechtliches Tierhalteverbot gegen Ulrich K. besteht.
Überdies bekommt der Bauer aus Hefenhofen 6000 Franken Genugtuung. Der Grund: Die Richter sind der Meinung, die Medien hätten K. vorverurteilt. Dies habe eine Persönlichkeitsverletzung zur Folge gehabt. 90 Prozent der Prozesskosten muss der Staat berappen, 10 Prozent Ulrich K. selbst. Der Angeklagte nahm die Ausführungen des Gerichts ruhig und lässig zur Kenntnis. Ab und an lächelte er. Selbst der vorsitzende Richter Zanoni gibt einleitend zu: «Das Undenkbare ist eingetreten.»
Als Zanoni nach dem Urteil zu seiner Begründung ansetzte, schickte er ans Publikum gerichtet voraus: «Wenn Sie nicht gewillt sind, meinen Ausführungen drei Stunden zu folgen, dürfen Sie jetzt gehen.» Eine Tierschutzaktivistin auf den Zuschauerstühlen erhob sich und sagte mit bebender Stimme: «Mir kommt gleich das Kotzen!» Sie floh aus dem Gerichtssaal und liess die Türe krachend ins Schloss fallen.
«In dubio pro reo»
Im Wesentlichen macht Zanoni die fehlende Beweislage dafür verantwortlich, dass der Prozess für Ulrich K. günstig ausgeht: «Es gibt Berichte des Landwirtschaftsamtes und des Veterinäramtes des Kantons Thurgau über die Hofräumung im 2017, die nicht unterschrieben oder nur summarisch geführt wurden. Der Hof wurde einfach geräumt und keine Dokumentation erstellt.» Aufgrund dieser Ausgangslage seien auch sämtliche Folgebeweise, die die Staatsanwaltschaft ins Feld führte, ungültig. Die Hofräumung als Ganzes sei ein «Blindflug» gewesen, sagt der Richter entschieden. Die Aktion des Kantons ordnet er als «rechtswidrig» ein.
Die Fotos, die der Staatsanwaltschaft vorlagen, seien nur eine «Momentaufnahme» gewesen: «Ein Foto als alleiniges Beweismittel: Das können Sie rauchen!» Die Beweise seien nicht nur nicht verwertbar, sondern auch untauglich. Deswegen gelte bei vielen Anklagepunkte die Devise «in dubio pro reo» – im Zweifel für den Angeklagten.
Ulrich K. wollte sich nach dem Gerichtsprozess nicht äussern. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
* Name bekannt