Das Video zum Tötungsdelikt von Kreuzlingen TG ist verstörend: Ein schlaksiger Mann tigert die Romanshornerstrasse rauf und runter. Er lässt die Arme hängen. Dann hält er die Hände hinter den Kopf. Er scheint nicht fassen zu können, was er gerade getan hat. Neben ihm liegt ein anderer Mann. In seinem eigenen Blut. Der nervöse Mann hat ihn kurz zuvor niedergeschossen.
Es ist mitten am Tag. Neben den beiden Protagonisten fahren Autos und ein Velo vorbei – als wäre nichts geschehen. Doch für das Opfer sind es die letzten Minuten seines Lebens. Noch am Freitagabend, einige Stunden nach den Schüssen, stirbt der 52-Jährige.
Die Sekunden nach der Tat mit eigenen Augen gesehen hat Alex Mürset (33). Er wohnt gleich gegenüber. Er ist es auch, der letzten Freitag das Video aufgenommen hat. Die Tat selbst ist auf dem Kurzfilm nicht drauf. Diese habe er jedoch gehört, wie Mürset gegenüber Blick erklärt: «Ich war zu Hause. Es hat geklöpft, drei- oder viermal. Ich öffnete den Vorhang und schaute nach draussen.»
«Ich war perplex»
Ein schrecklicher Anblick: «Ein Mann lag am Boden in einer Blutlache. Daneben stand einer mit einer Knarre.» Der Bewaffnete habe «verzweifelt» herumgeschaut, sagt der Logistiker. «Dann warf er die Waffe weg.» Mürset muss sich erst sammeln: «Ich war perplex. Ich konnte nicht verstehen, was da gerade passiert war.»
Dann ging es schnell: «Leute eilten herbei, um den Kerl, der auf dem Boden lag, zu reanimieren.» Später trifft der Notarzt am Tatort ein. Skurril: «Der Täter sass daneben und wartete, bis ihn die Polizei mitnimmt.» Die beiden Männer seien ihm nicht bekannt, sagt Mürset.
Blick-Recherchen zeigen, dass es sich beim mutmasslichen Täter um Thomas T.* (49) handelt. Er soll Anton P.* (†52) mit Schüssen niedergestreckt haben. Der Helikopter flog den Mann, der beim Tatort ein Hostel, einen Baustoffhandel sowie ein Immobilienbüro besitzt, zwar lebend ins Spital. Doch dort erlag er spätabends seinen Verletzungen.
«Es soll um Geld gegangen sein»
Eine, die glaubt, die Hintergründe für die Tat zu kennen, ist eine enge Angehörige von Thomas T. Sie sagt zu Blick: «Das Opfer hat ihm vor etwa einem Jahr selbst mal gedroht. Die beiden kannten sich. Es soll um Geld gegangen sein, das das Opfer Thomas schuldete und nicht geben wollte.»
Bis jetzt hätten weder sie noch andere Angehörige mit T. reden können, sagt die Frau. «Er sitzt in Haft.» Sie ist aber überzeugt, dass T. die Tat nicht geplant habe. «Ich vermute, er handelte im Affekt. Ich wusste nicht, dass er eine Waffe hat.» Natürlich stehe sie und auch die anderen Angehörigen unter Schock.
Auch Augenzeuge Alex Mürset hat die Frau nach der Tat gesehen. «Sie hat geweint, Kolleginnen nahmen sie dann mit.» Auch am Montag, drei Tage nach dem schlimmen Vorfall, ist Mürset noch mitgenommen. «Die Bilder, die ich gesehen habe, sind weiterhin in meinem Kopf drin. Diese Tat bewegt die Leute hier in Kreuzlingen.»
Die Angehörigen des Opfers wollten nichts sagen.
* Namen geändert