«Das waren die schlimmsten Minuten meines Lebens»
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Tochter wartet auf Ambulanz:«Das waren die schlimmsten Minuten meines Lebens»

Thurgauer Ambulanz-Chaos brachte Monika Petkova-Zünd zur Verzweiflung
«Mama war am Ersticken, und die liessen uns warten!»

Monika Petkova-Zünds Mama litt am Wochenende unter akuter Atemnot, inklusive lila Lippen und flacher Atmung. Doch der Thurgauer Notruf schickte den falschen Krankenwagen.
Publiziert: 26.07.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2024 um 08:48 Uhr
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Monika Petkova-Zünd ist in Gedanken immer noch bei der schicksalhaften Nacht von vergangenem Sonntag. Ihre Mutter hatte in ihrem Zuhause in Münchwilen TG akute Atemnot.
Foto: Sandro Zulian
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Sandro ZulianReporter News

Seelenruhig schlief Monika Petkova-Zünd (34) vergangenen Sonntag in ihrem Bett in der Wohnung ihrer Mutter in Münchwilen TG, als sie aus dem Schlaf gerissen wurde. «Meine Mutter stand plötzlich vor mir und hatte die Hände auf ihrer Brust. ‹Moni, kalt! Kalt!›, presste sie immer wieder heraus. Ihre Lippen waren dunkelviolett, fast schon schwarz, und sie schnappte nach Luft», erinnert sich Petkova-Zünd mit schreckgeweiteten Augen.

Auch die Finger hatten sich bereits verfärbt. «Sie hatte schwere Atemnot.» Ein ausgewiesener Notfall, keine Frage. Einer, bei dem Zeit über Leben und Tod entscheidet.

Doch der Thurgauer Notruf liess sich Zeit.

Beim Unfall kam die Ambulanz aus Wil

Was war geschehen? Dafür muss man knapp einen Monat zurückgehen. Am 3. Juli wurde Petkova-Zünds Mutter in Münchwilen auf einem Kreisel von einer Autofahrerin angefahren. Fünf Rippen waren gebrochen.

Damals schrieb die Kantonspolizei Thurgau: «Die E-Bike-Fahrerin wurde leicht bis mittelschwer verletzt und musste durch den Rettungsdienst ins Spital gebracht werden.» Die Rettung kam damals aus dem benachbarten Wil SG und war innert weniger Minuten vor Ort.

Nierenstau sorgte für Atemlosigkeit

Zurück zum Sonntagmorgen: Nachdem die Mutter um Luft ringend bei Monika Petkova-Zünd im Schlafzimmer gestanden war, bewegten sich die beiden ins Wohnzimmer, wo die Tochter versuchte, ihre Mutter zu beruhigen.

Durch den Unfall wurde die Niere der 72-Jährigen verletzt. Das sorgte für hohes Fieber und einen Nierenstau. Daher rührte auch die schlimme Atemnot bei der Rentnerin.

Mit zitternden Händen wählte die Tochter den Notruf. Nachdem sie am Telefon alles geschildert hatte, legte sie auf. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Tochter nicht, wie lange es noch dauert, bis ihre Mutter erstickt.

Dann begann die quälende Warterei. «Jede Sekunde fühlte sich wie eine Ewigkeit an, aber ich wusste ja, dass die Rettung nah war.» Der Anruf erfolgte um 3.38 Uhr am Sonntagmorgen. Das belegen Swisscom-Daten, die Blick vorliegen.

Bei Atemnot kam die Ambulanz aus Frauenfeld

Nach ein paar Minuten, um 3.46 Uhr, war die Verzweiflung aber so gross, dass Petkova-Zünd noch einmal den Notruf wählte, weil die Ambulanz schon längst hätte dort sein müssen. «Die Person am Telefon sagte, dass sie unterwegs seien. Aus Frauenfeld! Mama erstickt fast, und die kommen aus Frauenfeld!», sagt sie ungläubig.

Ungläubig, weil es in Wil, kaum sieben Kilometer entfernt, ebenfalls einen Stützpunkt für Krankenwagen gibt. Frauenfeld liegt indes mehr als 15 Kilometer entfernt vom Wohnort der um Luft ringenden Mutter.

Nach einer gefühlten Ewigkeit trafen die Einsatzkräfte dann auch ein – um etwa 4 Uhr morgens.

«Muss man sich jetzt überlegen, wo man hinzieht?»

Erst war die Erleichterung bei Petkova-Zünd riesig. Doch dann fing sie an, Fragen zu stellen: «Warum kam die Ambulanz aus Frauenfeld und nicht aus Wil?» Die Stadt im Kanton St. Gallen wäre so viel näher gewesen. «Die Rettung St. Gallen sagte mir am Telefon sogar, dass ein Ambulanzteam in Wil an diesem Morgen und um diese Zeit verfügbar und ein Krankenwagen frei gewesen war.»

Das bestätigt die Rettung St. Gallen auf Nachfrage auch gegenüber Blick. Anfahrtsweg: acht Minuten – gemäss Google Maps, ohne Blaulicht.

Ihre Mutter hätte sterben können. Das ist der Gedanke, der Petkova-Zünd auch Tage nach dem erschreckenden Ereignis noch immer im Kopf herumgeistert. Und: Die lange Wartezeit auf die Ambulanz brannte sich in ihren Kopf ein. Vom Anruf bis zur Ankunft vergingen über 20 Minuten. «Muss man sich denn in der Schweiz neu überlegen, wo man hinzieht, damit so etwas nicht passieren kann?»

«Unerträglicher Kantönligeist!»

Im Rettungswesen gibt es eine Hilfsfrist. Das ist die Zeit zwischen Anruf und Ankunft der Rettungskräfte, die es einzuhalten gilt. Im Leitbild des Berufsverbands FMH zum Rettungswesen steht: «Vital bedrohte Notfallpatienten sollen in der Schweiz innerhalb 15 Minuten von professionellen Rettungskräften erreicht werden; wo immer möglich, ist auf eine Hilfsfrist von 10 Minuten hinzuarbeiten.»

Dass die Notfallstellen triagieren, entscheiden müssen, welcher Fall wichtiger ist, ist bekannt. Dass der Notruf im Kanton Thurgau aber ein Ambulanzfahrzeug aus dem vergleichsweise weit entfernten Frauenfeld aufbot, versteht Petkova-Zünd nicht. Erst recht nicht, wenn die nahen St. Galler bereitgestanden hätten: «Für mich ist das unerträglicher Kantönligeist!»

Kurze und knappe Antwort des Kantons

Die Thurgauer Kantonsärztin Agnes Burkhalter (60) schreibt auf den ausführlichen Fragenkatalog von Blick: «Die Sanitätsnotrufzentrale bietet bei allen dringlichen Notfällen das nächstgelegene Rettungsmittel auf.»

Dass das nicht immer stimmt, zeigt der Fall von Monika Petkova-Zünd und ihrer Mutter eindrücklich. Sie wurde am Donnerstagmorgen aus dem Spital entlassen.

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