Die Universität St. Gallen beendet die Zusammenarbeit mit Wolfgang Stölzle (62) als Ordinarius und Direktor des Instituts für Supply Chain Management (ISCM). Ausserdem wird die Zusammenarbeit mit einem ebenfalls am ISCM tätigen Titularprofessor beendet, dem Verstösse gegen die wissenschaftliche Integrität zur Last gelegt werden.
Um langwierige und kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, haben sich die beteiligten Parteien auf Vereinbarungen zum Austritt per Saldo aller Ansprüche geeinigt. Der Titularprofessor wird die HSG zum 30. April verlassen, Wolfgang Stölzle zum 31. Juli. Bis dahin sind beide Professoren freigestellt.
Stölzle stand zuletzt in der Kritik, weil er mutmasslich in einer wissenschaftlichen Studie Falschinformationen veröffentlicht haben soll. Die Universität St. Gallen hat im Oktober 2022 eine Kommission mit einer Administrativuntersuchung beauftragt, die Geschäftsführung von Stölzle am ISCM zu untersuchen. Die Untersuchungskommission stellte in ihrem Schlussbericht vom 2. Mai 2023 fest, dass am Institut eine problematische Führungskultur bestand.
Thomas Friedli vertritt Wolfgang Stölzle
Wolfgang Stölzle befand sich, so die Kommission, in mehrfachen Interessenskonflikten zwischen dienstlichen und privaten finanziellen Interessen. Ausserdem habe er sich wiederholt dienstrechtliche Verfehlungen zuschulden kommen lassen. Gestützt auf den Kommissionsbericht wurden weitere Abklärungen getroffen, Gespräche geführt und eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Nach Ansicht der HSG schadet Wolfgang Stölzle dem Ansehen der Universität in schwerwiegender Weise.
Wolfgang Stölzle beruft sich auf seine Eingabe vom 4. September 2023 im Rahmen seines rechtlichen Gehörs, worin aus seiner Sicht die Feststellung des Verstosses gegen einschlägige dienstliche Vorschriften und damit weiterführende Massnahmen voll umfassend widerlegt werden. Stölzle stuft die Vorwürfe, die anonym von Mitarbeitenden gegen ihn erhoben wurden, als unbegründet ein und verweist darauf, dass der Kommissionsbericht vom 2. Mai 2023 ebenfalls Handlungsbedarf seitens der HSG reklamiert. Eine Schädigung des Rufes der Universität ist für ihn nicht zu erkennen. Das Institut für Supply Chain Management wird bis auf Weiteres von Thomas Friedli als Sachwalter geleitet.
Kommission klärte Plagiatsvorwürfe ab
Zum Titularprofessor führt die HSG aus: Im Dezember 2022 beauftragte die Universität eine Untersuchungskommission mit Abklärungen von Plagiatsvorwürfen gegen einen Titularprofessor der HSG. Die Kommission kommt, gestützt auf zwei Gutachten, zum Schluss, dass eine wesentliche Verletzung der Regeln der wissenschaftlichen Integrität vorliegt. Sie stellt fest, dass der Professor mehrfach Textteile studentischer Arbeiten für Eigenpublikationen ohne entsprechenden Quellenverweis verwendet hat. Damit bestätigen sich aus Sicht der Universität die Plagiatsvorwürfe in mehreren Fällen.
Der Titularprofessor bestreitet das Ergebnis der Kommission. Seines Erachtens können die heutigen Integritätsrichtlinien mit Bezug auf den historischen Kontext und die damals gelebte Praxis auf die infrage stehenden Publikationen keine Anwendung finden. Darüber hinaus macht er eine enge Zusammenarbeit mit den einzelnen Studenten geltend. Falls sich Studenten durch dieses Verhalten ihres Betreuers verletzt fühlen, bedauert er dies und er erwähnt, dass dies in keiner Weise beabsichtigt gewesen war. Die laufende Überprüfung der Habilitation des Titularprofessors ist weiterhin im Gang.
«Zeichen gegen das Machtgefälle»
Den Fall ins Rollen brachte Rechtsanwältin Senta Cottinelli. In einer Medienmitteilung zeigt sie sich erfreut über die Entlassung der beiden Professoren. «Dieser Entscheid ist ein deutliches Zeichen gegen das bisher herrschende Machtgefälle zwischen Professorinnen und Professoren und Doktorierenden beziehungsweise Mitarbeitenden», schreibt Cottinelli. «Universitäten haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, bei fehlbaren Professoren einzugreifen. Für alle Universitäten muss gelten, Professoren dürfen nicht faktisch unkündbar sein.»
Für ihre Mandantschaft und deren Familien sei der Fall eine enorme Belastung gewesen. «Dies nicht nur emotional und zeitlich, sondern auch finanziell.» (nad/noo)