Auf einen Blick
- Trainer will 15-jähriger Unihockeyspielerin auf Instagram Nacktfotos schicken
- Staatsanwaltschaft St. Gallen ermittelt
- Trainer weiterhin im Dienst trotz Vorwürfen seit Juni 2024
Es ist der 29. Juni 2024 um 22.30 Uhr. Das Mobiltelefon von Angelina M.* (15) meldet sich. Sie hat eine Nachricht erhalten. Der Absender: ihr ehemaliger Trainer Johannes K.* (35).
Angelina ist Sportlerin und trainierte vergangenes Jahr in Spezialtrainings für Unihockeytalente im St. Galler Rheintal. Diese wurden vom regionalen Unihockeyverband in Zusammenarbeit mit EFS United angeboten, einer Talentschmiede im St. Galler Rheintal. Die Trainings leitete unter anderem Johannes K.* (35), ein Trainer und Spieler mit grosser Erfahrung.
«Habe zu viel Bier getrunken»
Die Nachricht, die Blick vorliegt, ist verstörend. Der Trainer schickt erst ein Selfie von sich und ein paar Smileys. Die 15-Jährige antwortet mit einem simplen «?». Dann fragt der Unihockeytrainer: «Kann ich schicke Nacktfoto?»
Die 15-Jährige reagiert entschlossen: «Nein.» Der Trainer schreibt: «Okay», gefolgt von einem weiteren Lachsmiley. Dann will er vom Teenager wissen, ob sie zu Hause ist. «Was soll das, Johannes», schreibt sie. «Keine Ahnung. Ich habe zu viel Bier getrunken», antwortet dieser.
Angelina fordert ihn auf: «Lass das.»
Staatsanwaltschaft ermittelt wegen sexueller Belästigung
Am selben Abend entscheidet sich die 15-Jährige, ihre Eltern einzuweihen. Die informieren sofort den Vorstand des Vereins. «Wir klären das mit Johannes», schreibt ein Vorstandsmitglied am selben Abend auf Whatsapp.
Die Familie erstattet Anzeige gegen den Trainer. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen sexueller Belästigung.
Dann geschieht – nichts. Monatelang gibt der Verein keinen Mucks von sich, erfährt Blick von Informanten. Weder die Familie des Mädchens weiss, was nun geschieht, noch die Mitglieder des Vereins.
Gerüchte beginnen zu kursieren, es gibt falsche Schuldzuweisungen und Verdächtigungen. Am 11. September berichtet die Zeitung «Der Rheintaler» über den Fall.
Klubführung spielt die Vorkommnisse herunter
Erst dann hält der Verein einen Infoabend ab, für Eltern und Klubmitglieder. Der Präsident schreibt in einem Infobrief: «Zu der offenen Frage, ob es nicht besser wäre, wenn der Vorstand zur Entlastung der Sache transparent gewisse Namen herausgibt, habe ich am Freitag mit unserer Kommunikationsberaterin telefoniert. Die Antwort ist vorerst klar: Nein.»
Im Brief spielt er das Geschehene und den Zeitungsartikel herunter: «Mit dem Begriff ‹sexuelle Belästigung› wird wohl absichtlich gespielt, damit der Leser Freude am ‹Rheintaler› hat.»
Zudem gibt es Ungereimtheiten, wann die Klubführung von den Vorkommnissen wusste. Im Zeitungsartikel nennt der Vereinspräsident den 19. August. Der Screenshot der Eltern der 15-Jährigen datiert fast zwei Monate früher, vom 29. Juni.
Die Mutter der betroffenen Teenagerin gibt sich gegenüber Blick verständnislos: «Dieses Vorgehen ist absolut fragwürdig. Man hätte den Trainer – zumindest für die Dauer des Strafverfahrens – freistellen müssen.» Die persönliche Enttäuschung ist riesig: «Er war ein Vorbild für sie.» Eine Entschuldigung des Trainers habe es nie gegeben. Der Vorstand des Klubs habe die Familie nie kontaktiert.
Die positive Nachricht: «Meiner Tochter geht es so weit gut.»
Stellungnahmen ohne Namen
Vorstand und Präsident von EFS United bestreiten gegenüber Blick, falsch reagiert zu haben. Man habe die Ratschläge von Swiss Sport Integrity konsequent befolgt. Die Stiftung kommt dann aufs Parkett, wenn ein Mitglied eines Vereins im Verdacht steht, sich falsch verhalten zu haben.
Gegenüber Blick sagt Markus Pfisterer, Leiter Meldestelle für Ethikverstösse bei der Swiss Sport Integrity: «Wenn wir im Rahmen einer Meldung sehen, dass eine akute Gefährdung besteht, können wir eine vorläufige Massnahme verpflichtend anordnen.» Eine davon war gemäss Klub, dass der betroffene Trainer keine Trainings allein durchführen darf. Swiss Sport Integrity ihrerseits erteilt keine Auskunft über laufende Verfahren.
Mit Namen wollen die Mitglieder des Vereinsvorstands nicht in der Zeitung genannt werden. Stand 4. November ist die EFS United im Netz nicht mehr erreichbar – «die Webseite wird zurzeit überarbeitet», heisst es dort nun.
«Tolerieren unpassendes Verhalten unter gar keinen Umständen»
Der Hockeytrainer steht auch Monate nach Bekanntwerden der Vorwürfe an der Seitenbande, wenn Kinder Unihockey spielen. Für eine Stellungnahme war Johannes K. nicht erreichbar.
Man könne den Ärger der Eltern nachvollziehen, heisst es vom Klub: «Deshalb haben wir am Informationsabend versichert, dass es allen Mitgliedern und Eltern klar ist, dass wir sehr genau beobachten und unter gar keinen Umständen unpassendes Verhalten tolerieren.»
Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen rechnet auf Anfrage in einigen Wochen mit einem Abschluss des Strafverfahrens. Es gilt die Unschuldsvermutung.
* Namen geändert