Nicht alle sind anwesend. Am Dienstag kamen die höchsten Katholiken der Schweiz in St. Gallen zusammen, um über Kirchengeschäfte zu diskutieren. Von den neun Bischöfen, Weihbischöfen und Äbten der Bischofskonferenz fehlen zwei. Jean Scarcella (71), der Abt von Saint-Maurice im Wallis, ist wegen Missbrauchsvorwürfen gegen ihn in den Ausstand getreten. Der Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Charles Morerod (61), musste kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe am Kopf notoperiert werden.
Die sieben Mitglieder sind unter Druck. Vor gut einer Woche liess die Universität Zürich mit einer Pilotstudie eine Bombe platzen. Gut 1000 Missbrauchsvorfälle gab es im Umfeld der katholischen Kirche seit den 50er-Jahren. Tags darauf krochen die Bischöfe zu Kreuze. Der St. Galler Bischof Markus Büchel (74) lud zum Mediengespräch in seiner Privatwohnung.
«Kann man die nicht wegschicken?»
Mit der demonstrativen Transparenz scheint es nun aber schnell wieder vorbei. «Wir arbeiten und haben schlicht keine Zeit, nicht einmal für ein Foto!», liess die Kommunikationsverantwortliche der Bischofskonferenz, Julia Moreno (57), beim Besuch von Blick verlauten.
Sie wirkt sichtlich genervt und überfordert, als sie im Bischofshof im Klosterbezirk angesprochen wird. «Ist das hier Privatgrund? Dürfen wir die nicht wegschicken?», blafft sie in Richtung des Mediensprechers des katholischen Konfessionsteils, Roger Fuchs (49). Dieser entgegnet: «Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun.» Er und sein Pendant beim Bistum bemühen sich, Blick Zugang in Form von wenigstens ein, zwei Fragen, zu ermöglichen.
«Ich würde für Bischof Markus sterben»
Orgelmusik erklingt um 12.05 Uhr in der Kathedrale St. Gallen. Beim Eingang und rund um das Kloster stehen Polizisten in Zivil – sie tragen Anzug und Knopf im Ohr. Ungefähr 50 Gläubige haben sich in den Bänken vor dem Altar versammelt und lauschen den Worten von Markus Büchel, Bischof von St. Gallen. «Wir feiern heute in einer schwierigen Situation», eröffnet dieser den Gottesdienst. Aber die Bischöfe hätten die Studie selbst in Auftrag gegeben, müssen also mit den Ergebnissen leben können, so Büchel.
Hinten im Kirchenschiff haben Journalisten ihre Kameras aufgerichtet, Fotografen bewegen sich während der Messe durch die Kathedrale. «Ich möchte alle Betroffenen bitten, immer wieder neu Mut zu fassen», sagte Bischof Büchel zum Schluss. Er schliesst den Gottesdienst mit den traditionellen Worten «gehet hin in Frieden».
Ein paar der wenigen Gläubigen sprechen im Anschluss an die Messe mit den Medien. Eine tiefgläubige Frau kam aus Schwyz angereist. Voller Inbrunst sagt sie: «Ich möchte unseren Bischöfen zeigen, dass wir hinter ihnen stehen.» Eine andere Messebesucherin geht noch einen Schritt weiter und verlautete: «Ich würde für Bischof Markus und die anderen sterben, wenn es etwas ändern würde.»
Fragen nicht erlaubt – keine Zeit
Schliesslich gibt die Bischofskonferenz dem Druck nach und sendet am Dienstagnachmittag um 14.10 Uhr Bischof Büchel vor die Medien. Nur ein Statement soll es geben, keine Fragen. Büchels Wortmeldung wirkt ernst, als er sagt: «Es ist ein Hauptthema der Konferenz. Es tut uns gut, das alles aufzuarbeiten.»
Der Konferenz sei es ein grosses Anliegen, diesen Weg, diese Wende weiterzuverfolgen. Bald soll es eine neutrale Meldestelle für Missbrauchsopfer geben. Doch die Arbeit brauche seine Zeit. Als Blick zum Schluss nachhakt, wie die Stimmung unter den Bischöfen sei, unterbricht die Kommunikationsverantwortliche des Bistums St. Gallen barsch. «Keine Fragen!»
Bischof Büchel sagt zum Schluss emotional in die Runde: «Wir schaffen wirklich fest.»