Darum gehts
- Altersheim-Projekt in Gossau kommt seit über 12 Jahren nicht vom Fleck
- Ehrenbürger Alex K. Fürer (93) verhindert Bau mit wiederholten Einsprachen
- 78 Prozent der Gossauer stimmten 2013 für neues Alters- und Pflegeheim
Ausgerechnet ein 93-Jähriger blockiert in Gossau SG den Bau eines neuen Altersheims! Seit mittlerweile zwölf Jahren kämpft Ehrenbürger Alex K. Fürer gegen den geplanten Bau – und bringt Stadtpräsident Wolfgang Giella (60, FDP) damit an den Rand der Verzweiflung. «Ich habe kein Verständnis mehr», sagt der Stapi beim Besuch von Blick in der Stadtverwaltung. «Es gibt keine Zweifel mehr an der Rechtmässigkeit dieses Projekts. Jetzt geht es wirklich nur noch ums Verzögern.» Er appelliert: «Zieht es nicht weiter. Es ist eine unglaubliche Zeitverschwendung.»
Um ein Haar hätte der Politiker Grund zum Jubeln gehabt. Denn erst Ende Februar lehnte das kantonale Bau- und Umweltdepartement die Rekurse ab. Bahn frei? Keineswegs. Einsprachen bringen das Projekt einmal mehr zu einem Halt – die Sache liegt jetzt beim Verwaltungsgericht.
Dabei hatten im Jahr 2013 stolze 78 Prozent der Gossauerinnen und Gossauer Ja zu einem neuen Alters- und Pflegeheim gesagt. Bald verzögerte sich das Projekt ein erstes Mal wegen Einsprachen. So ging es weiter – bis heute.
«Schandfleck von Gossau»
Das Andreas-Zentrum, auf dem schon längst die Bagger hätten auffahren sollen, lottert heute – über zwölf Jahre nach dem Entscheid an der Urne – vor sich hin. Hierhin hätten die Bewohner der beiden Altersbetriebe «Espel» und «Schwalbe» ziehen sollen – so der Plan. 2020 wurde der Betrieb im «Espel» aufgrund des schlechten Zustands eingestellt. Die 50 Betagten wohnen bis heute in einem Container-Provisorium.
Bauvisiere säumen das Areal, es ist still. Ein älteres Paar flaniert vorbei, der Mann kommentiert: «Das ist der Schandfleck von Gossau.»
Er sorgt für den Ärger in Gossau: der 93-jährige Ehrenbürger Alex K. Fürer, Bruder des 2022 verstorbenen St. Galler Bischofs Ivo Fürer. Fast 30 Jahre Präsidentschaft der Ortsbürgergemeinde, sein ehrenamtlicher Einsatz und seine Verdienste rund um das historische Schloss Oberberg brachten ihm diesen Ehrenbürger-Titel unter anderem ein.
«Zu lang, zu breit, zu hoch», so die Kritik am geplanten «Klotz» – wie Fürer es nennt – mit 117 Pflegeplätzen. Dreimal erhob er in den letzten Jahren nur schon wegen des Neubaus Einsprache, liess gar ein massstabgetreues Modell erstellen, um zu zeigen, dass das Projekt die umliegenden Häuser «erdrückt». Und: Es habe zu wenig Parkplätze für ein Zentrum dieser Grösse, überdies leide das Ortsbild.
2018 bekam der persistente Pensionär wegen formaler Mängel recht und die Stadt damit aufs Dach. Insgesamt fünf Einsprachen schoss Fürer in den letzten zwölf Jahren ab. «Ich werde verteufelt», sagte er schon 2022 gegenüber dem «St. Galler Tagblatt» im Hinblick auf die gehässigen Reaktionen aus der Bevölkerung. Weil seine Einwände «nicht gehört» werden, habe er keine andere Wahl: «Wir müssen somit leider wieder eine Einsprache machen», so Fürer damals.
«Wenn das hier gebaut wird, sieht Fürer den Säntis und den Alpstein nicht mehr», so die deutlich profanere Begründung, die auf den Strassen der Gemeinde erzählt wird. Denn Alex Fürer wohnt direkt neben dem Areal und besitzt dort mehrere Liegenschaften.
«Dann hätten wir alles gefressen»
Nachfrage beim Einsprecher. Trotz seiner vielen Auftritte in der Lokalpresse will Fürer nichts mehr sagen. Seine Frau hat interveniert. Dafür äussert sich sein Anwalt. «Das Grundstück ist zu klein», sagt Fürers Anwalt Urs Pfister (67). Er fordert: «Wir wollen eine neutrale Einschätzung von jemandem, der nicht schon immer Ja dazu gesagt hat!» Denn der letzte Entscheid des kantonalen Bau- und Umweltdepartements sei von denselben Leuten getroffen worden, die schon beim Architekturwettbewerb 2015 Ja gesagt hätten. Voreingenommenheit sei das. Pfister will die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) anrufen.
Dort sitzen 26 Leute aus allen Kantonen. «Wenn die alle Ja sagen, dann wäre das eine unabhängige Beurteilung. Wenn das geschehen wäre, hätten wir alles gefressen und wären jetzt fertig.» Doch die Stadt und sämtliche involvierten Parteien auf der Gegenseite hätten diesen Weg abgelehnt. «Und warum? Weil sie Angst davor haben, dass man uns recht gibt!», ist sich Pfister sicher. Er lässt durchblicken, dass man – wenn nötig – bis vors Bundesgericht gehen will.
So bleibt Gossau wohl nichts anderes übrig, als einmal mehr zu warten. Darin hat die Bevölkerung schon ein Dutzend Jahre Übung.