Einen solchen Päckli-Bschiss hat die Schweiz wohl noch nie gesehen. Drei Jahre lang finanziert Reto F.* seinen Lebensunterhalt mit Online-Einkäufen unter falschem Namen. Seine Beute: Ware für über 420'000 Franken! Allein bei Zalando steht der arbeitslose Aussendienstmitarbeiter mit 82'000 Franken in der Kreide, bei Nespresso sind es rund 72'000 Franken (BLICK berichtete).
Am Mittwoch musste sich der passionierte Bodybuilder deswegen unter anderem wegen gewerbsmässigen Betrugs vor dem Kreisgericht Wil verantworten. «Ich konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten und mir keine Lebensmittel mehr leisten», sagt F. zu BLICK.
Reto F. arbeitete mit 170 Fake-Namen
Als ihm ein Online-Händler aus Bonitätsgründen einst eine Lieferung auf Rechnung verweigerte, habe er in der Not seinen Namen abgeändert – und die Ware anschliessend erhalten.
Nach diesem Schlüsselerlebnis führt der Arbeitslose die Versandhäuser mit 170 falschen Namen in die Irre. Die Päckli lässt F. an rund 25 öffentlich zugängliche Adressen wie Geschäftshäuser oder Therapiezentren ausliefern, wo er vor der Zustellung Fake-Namen an den jeweiligen Briefkästen anbringt.
«Meine Kollegen fanden das cool, wollten auch bestellen und mir Geld dafür geben. So habe ich realisiert, dass ich damit Einkommen generieren kann. Es war bubieinfach», schildert Reto F. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda seien die Dimensionen immer grösser geworden.
Massive Rabatte bis zur Verhaftung
F. gewährt Rabatte bis zu 50 Prozent und gibt vielen seiner Kunden noch Geschenke obendrauf. «Den meisten Leuten war es völlig egal, woher die Ware kam. Hauptsache gut und günstig!» Nebst Zalando finden sich auch Ikea, Migros, Qualipet und Jelmoli unter den Geprellten. «Ein Rentner, Typ Haus-Sheriff, hat mich schliesslich auffliegen lassen», beschreibt das Kraft-Paket sein Ende.
Dem Pensionär sei aufgefallen, dass in seiner Nachbarschaft ständig Waren auf unbekannte Namen angeliefert wurden, worauf er weitere Schritte eingeleitet habe. Reto F. fliegt auf und sitzt danach 16 Monate im Gefängnis.
Schlappe für St. Galler Staatsanwaltschaft
Dorthin zurück muss er wohl nicht. Denn die Staatsanwaltschaft beantragte für F. eine teilbedingte Strafe von 32 Monaten, wovon nur die Hälfte zu vollziehen sei.
Der Prozess gegen ihn und vier beschuldigte Kunden platzte jedoch schon nach wenigen Minuten. Die Staatsanwaltschaft hatte den Mitangeklagten während den Ermittlungen keine Einsicht in die vollständigen Verfahrensakten gewährt. Der auf drei Tage angelegte Prozess wurde daher auf unbestimmte Zeit verschoben.
* Name geändert