Der Unfall passierte am 20. September 2015 morgens um 6 Uhr. Die heute 47-jährige Bäckerin Myrta A.* wollte mit einem Lieferwagen Brot ausliefern und fuhr auf der Strecke von Unterstammheim in Richtung Dietingen.
Als die Autofahrerin in der Dunkelheit eine auf der Strasse liegende Gestalt wahrnahm, versuchte sie noch auszuweichen. Doch der Wagen überrollte den Mann. Lukas B.* (†25) starb noch am Unfallort an schweren Kopfverletzungen. Gemäss dem Obduktionsbericht hatte er 2,36 Promille Alkohol im Blut.
Das Bezirksgericht Frauenfeld sprach die Autofahrerin vor einem Jahr vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei (BLICK berichtete). Sie habe den Unfall unter keinen Umständen vermeiden können, weil sie den mitten auf der Strasse liegenden Mann nicht rechtzeitig habe sehen können.
Zu diesem Schluss kam das Gericht, nachdem es den Unfall bei einem Augenschein nachgespielt hatte. Die vorsitzende Richterin steuerte den Versuchswagen selber und konnte die auf der Strasse deponierte Puppe nicht rechtzeitig sehen.
Staat muss Verfahrenskosten übernehmen
Das Thurgauer Obergericht kam zum selben Schluss und hat die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angehörigen des Opfers abgewiesen. Der Staat muss die Beschuldigte für die Verfahrenskosten entschädigen.
Gemäss dem Polizeibericht fuhr Myrta A. auf der Überlandstrecke mit einem Tempo von 60 km/h. Dies war nicht zu schnell, so das Obergericht. Mit einer quer auf der Strasse liegenden, dunkel gekleideten und deshalb schlecht erkennbaren Person habe die Frau nicht rechnen müssen, auch wenn in der Nähe ein Fest stattfand, bei dem angeblich viel Alkohol getrunken wurde.
«Es ist unüblich, dass sich eine stark betrunkene Person von einer solchen Party allein auf den Weg macht und auf einer Strasse quer zum Liegen kommt», heisst es im Urteil.
Der Staatsanwalt und die Familienangehörigen verlangten einen Schuldspruch vor dem Thurgauer Obergericht. Die Frau habe gewusst, dass in dem Weiler eine Party stattfand und habe gemäss ihrer eigenen Angaben mit Betrunkenen gerechnet. Sie hätte den Unfall verhindern können, wenn sie langsamer gefahren und aufmerksamer gewesen wäre, argumentierte der Staatsanwalt.
Die Familienangehörigen und die Lebenspartnerin des Unfallopfers beantragten Schadenersatz und Genugtuung in der Höhe von über 100'000 Franken. Diese Forderungen hat das Thurgauer Obergericht auf den Zivilweg verwiesen. (SDA/nbb)
* Namen der Redaktion bekannt