Die Szene am Freitagabend ist schwer zu ertragen. Unter der Leitung eines Polizisten der Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden begeht eine Gruppe Menschen die Unfallstelle auf der Stoss-Passhöhe nahe Gais AR. Die Leute dürften einem der zwei tödlich verunglückten jungen Männer nahestehen.
Eine junge Frau weint so heftig, dass man es als Aussenstehender spüren kann. «Ich weiss nicht, ich weiss nicht», sagt sie unablässig. Eine ältere Frau nimmt sie in den Arm. Der Schock sitzt tief.
Tragischer Unfall am Donnerstagabend
Am Donnerstagabend, nicht einmal 24 Stunden, bevor die Gruppe auf die Unfallstelle kommt, fährt ein junger Mann auf seinem Töff die Passstrasse hoch in Richtung Gais. Er ist Teil einer Gruppe von Motorradfahrern. Direkt vor der Passhöhe kommt der junge Mann (†22) plötzlich auf die Gegenfahrbahn.
Gleichzeitig fährt ein junger Töfffahrer (†18) die Strasse hinab. Es kommt zur Kollision. Die Männer werden weggeschleudert, eines der Motorräder fängt in der Wiese Feuer. Die beiden jungen Männer sterben noch auf der Unfallstelle – ein dritter Mann (38) fährt mit seinem Töff gegen ein Unfallteil. Auch er stürzt und liegt nun mit unbestimmten Verletzungen im Spital.
«Es war eine langsame Rückfahrt»
Kurze Zeit später fuhr David (21) mit seinem Töff dieselbe Strecke hoch. Blick trifft ihn am Freitagnachmittag auf der Stoss-Passhöhe. «Wenn man einen Töfffahrer am Strassenrand sieht, der mit der Hand die ‹Langsam-Bewegung› macht, dann vermutet man, dass etwas passiert ist.» Die Rauchwolke, die er aufsteigen sah, bestätigte dieses Gefühl. Polizei und Feuerwehr hatten die Unfallstelle bereits abgesperrt, David musste umdrehen. Der Vorfall hinterlässt kein gutes Gefühl: «Es war eine langsame Rückfahrt.»
Blick will wissen, ob solche Unfälle die Frage hervorrufen, ob man den Helm an den Nagel hängen und aufhören will mit dem Töfffahren. David sagt: «Offen und ehrlich: Ja. Wenn man so etwas mal aus der Nähe sieht, dann überlegt man sich das.»
«Ein Kind fährt davon und kommt nie wieder»
Immer wieder kommen Töfffahrer und halten auf dem grossen Parkplatz auf dem Stoss an. So auch Melanie Gäumann (32) aus Stein AR und ihre Mutter Margot (53). «Wir sind aus Solidarität hier», sagen die beiden. «Auch wenn wir sie nicht kannten, tut so ein Unfall sehr weh», sagt Margot aus Teufen AR.
Speziell die Eltern tun ihnen leid. «Ein Kind fährt davon und kommt nie mehr nach Hause.» Tochter Melanies erster Gedanke, als sie erfuhr, dass auf dem Stoss zwei Töfffahrer tödlich verunglückten: «Ich habe nur gehofft, es ist nicht mein Bruder. Mir lief es kalt den Rücken runter.»
«Wir halten zusammen»
Bruder Marcel Gäumann (30) aus Gais AR, kommt ein wenig später auf seiner Ducati an. «Mir geht das sehr nahe», sagt er. «Unter den Töfffahrern gibt es ein grosses Miteinander. Wir grüssen uns auch immer gegenseitig, das finde ich etwas ganz Schönes. Wir halten zusammen.» Er wünscht den Eltern der verunglückten Männer viel Kraft.
Ein Auto fährt auf den Parkplatz. Zwei junge Männer steigen aus und gehen in Richtung Unfallstelle. Auf dem verbrannten Stück Wiese, das der brennende Töff hinterliess, stellen sie zwei Grabkerzen auf. Sie sind Freunde von einem der Toten. «Wir sind immer gerne zusammen Töff gefahren. Am Samstag hätten wir für eine Töfftour abgemacht», sagt der junge Mann zu Blick. Dann versagt ihm die Stimme.