In Wittenbach SG steht seit diesem Herbst ein neues Primarschulhaus. Zwei Jahre wurde daran gebaut, es bietet Platz für acht Primar- und drei Kindergartenklassen. Kostenpunkt für den Bau: 26,6 Millionen Franken. Die Aufsicht über die Bauarbeiten hat Boris Schedler (63), Co-Präsident der Baukommission des Primarschulrates Wittenbach. Dies zusammen mit Schulratspräsident Thomas Meister.
Seit 30 Jahren sitzt Schedler im Wittenbacher Primarschulrat, seit 20 Jahren ist er für alle Bauten der Primarschulgemeinde verantwortlich. Zudem ist der Mann am 26. September für die FDP neu in den Gemeinderat von Wittenbach gewählt worden. Keine Frage: Im 10'000-Seelen-Dorf im Kanton St. Gallen ist Schedler ein Polit-Dinosaurier.
Anonyme Wittenbacher melden nun aber: Beim Bau des Schulhauses wurde Vetterliwirtschaft betrieben – profitiert davon habe Schedler selber. Aber auch seine Familie. Tatsächlich haben mehrere Firmen Aufträge für diese Baustelle erhalten, die allesamt familiäre oder sonstige Verbindungen zu Schedler aufweisen.
Sein Schwager, sein Sohn und er selber profitieren
Etwa die Max Schetter AG. Die Sanitärfirma gehört Schedlers Schwager. Sie hat für den Schulhausneubau einen Auftrag in Höhe von rund 665'000 Franken erhalten.
Auch die Schreinerei V. Burger AG bekam zwei Zuschläge. Zum Zeitpunkt der Auftragsvergaben absolvierte ein Sohn von Schedler seine Berufslehre dort. Die beiden Aufträge an diese Firma waren rund 410'000 Franken schwer.
Die IG Energietechnik AG wiederum wurde vom Generalunternehmer mit der Installation der Heizungs-, Lüftungs- und Klima-Anlagen beauftragt. Projektleiter dort? Ein weiterer Sohn von Boris Schedler.
Dazu kommt ein 239'000-Franken-Auftrag an die Firma Ganz Verlegearbeiten AG. Dessen Geschäftsführer: Boris Schedler höchstpersönlich. In die Hände reiben durften sie sich auch bei der Zuffelato und Wirrer AG. Dabei handelt es sich um eine Schwesterfirma von Schedlers Arbeitgeber Ganz Verlegearbeiten AG. Hier lag das Auftragsvolumen bei rund 207'000 Franken.
Fünf Firmen, die mit Schedler in Verbindung stehen, bekommen Aufträge in Höhe von 1,5 Millionen Franken. Ein Zufall? «Nein!», sind sich die anonymen Informanten aus Wittenbach sicher.
Alles sei mit rechten Dingen zugegangen
Boris Schedler selber sieht indes kein Problem bei der Wahl der Firmen für den Schulhausneubau. Er betont: Alles sei mit rechten Dingen zugegangen. «Bei den Aufträgen für die Ganz Verlegearbeiten AG und die Zuffelato & Wirrer AG bin ich in den Ausstand getreten», versichert Schedler gegenüber BLICK. Und was die Sanitärfirma Max Schetter AG betreffe, stimme es zwar, dass der Chef der Firma der Bruder von Boris Schedlers Frau sei. Aber: Da seine Frau gestorben sei, gebe es folglich auch keine Familienverbindung mehr zu ihrem Bruder. Hier habe er also nicht in den Ausstand treten müssen, sagt Schedler.
Und bei der Schreinerei V. Burger AG habe sein Sohn tatsächlich die Lehre absolviert. Aber: Die Arbeiten beim Schulhaus seien losgegangen, als sein Sohn bereits nicht mehr in der Firma tätig gewesen sei. Auch hier sieht Schedler darum keine Probleme. Und bei der Vergabe des Auftrages an die IG Energietechnik AG, wo ebenfalls einer seiner Söhne arbeitet, habe die Baukommission sowieso keinen Einfluss gehabt. Dieser Auftrag wurde vom Generalunternehmer vergeben.
«Hier ist etwas schiefgegangen»
Zudem, betont Schedler, seien für jeden Auftrag zwischen fünf und sieben weitere Firmen eingeladen worden, ein Angebot abzugeben. Am Ende habe immer das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhalten. Die Vergabe an die Firma des Schwagers sei sogar öffentlich ausgeschrieben worden, so Schedler weiter. «Sämtliche an Drittfirmen vergebenen Arbeiten für den Neubau des Primarschulhauses sind das Ergebnis von korrekt durchgeführten Vergabeverfahren nach den Vorschriften über das öffentliche Beschaffungswesen», unterstreicht er. Vorwürfe der Vetterliwirtschaft seien vor diesem Hintergrund haltlos und unbegründet.
Kritischer sieht es indes Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency Schweiz. «Wenn von fünf öffentlichen Aufträgen fünf Firmen den Zuschlag erhalten haben, die direkt mit dem Baukommissionspräsidenten in Verbindung stehen, ist das schon ziemlich aussergewöhnlich», sagt er zu BLICK.
Auch wenn alles mit rechten Dingen zugegangen sein sollte: «Behördenmitglieder müssen verhindern, dass nur schon der Anschein einer Unregelmässigkeit entstehen kann. Dies, damit das Vertrauen in die öffentliche Hand keinen Schaden nimmt», so Hilti. Es sei deshalb heikel, wenn der Präsident der Baukommission gleichzeitig Geschäftsführer von Unternehmen ist, die von dieser Baukommission Aufträge erhalten wollen. «Er sollte in diesem Fall auf das öffentliche Amt verzichten.»
Zwischen Vetterliwirtschaft und Korruption gibt es einen Unterschied, doch die Grenze dazwischen ist fliessend. Für Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency Schweiz, ist es wenig verwunderlich, dass gerade in kleineren Gemeinden die Gefahr von Vetterliwirtschaft gross ist – aus unterschiedlichen Gründen. «In Dörfern kennt jeder jeden. Kommt hinzu, dass sich bei manchen in der Gemeinde nicht gerade beliebt macht, wer Auswärtige mit Aufträgen versieht», so Hilti.
Besonders anfällig für Korruption sei das öffentliche Beschaffungswesen. Deshalb sei die korrekte Anwendung der Beschaffungsvorschriften sehr wichtig. Dafür sollten die Kantone die Gemeinden unterstützen: «Die Gemeinden sind auf diese Unterstützung angewiesen, da ihre Gremien meistens aus ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern zusammengesetzt sind.»
Zwischen Vetterliwirtschaft und Korruption gibt es einen Unterschied, doch die Grenze dazwischen ist fliessend. Für Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency Schweiz, ist es wenig verwunderlich, dass gerade in kleineren Gemeinden die Gefahr von Vetterliwirtschaft gross ist – aus unterschiedlichen Gründen. «In Dörfern kennt jeder jeden. Kommt hinzu, dass sich bei manchen in der Gemeinde nicht gerade beliebt macht, wer Auswärtige mit Aufträgen versieht», so Hilti.
Besonders anfällig für Korruption sei das öffentliche Beschaffungswesen. Deshalb sei die korrekte Anwendung der Beschaffungsvorschriften sehr wichtig. Dafür sollten die Kantone die Gemeinden unterstützen: «Die Gemeinden sind auf diese Unterstützung angewiesen, da ihre Gremien meistens aus ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern zusammengesetzt sind.»