Nach der Flut-Katastrophe mit fast 180 Todesopfern ist die Kritik am bestehenden Warnsystem in Deutschland gross. Doch auch in der Schweiz würden die vorhandenen Instrumente im Ernstfall auf eine harte Probe gestellt.
Das Schweizer System sieht gleich drei Methoden vor, mit denen die Bevölkerung gewarnt werden soll. Per Sirene, Radio und App. Das tönt nach viel Absicherung, allerdings ist das System fehlerhaft – und wie! Denn im Ernstfall ist nur auf die Sirene Verlass.
UKW wird Ende 2027 abgeschaltet
Sobald Gefahr in Verzug ist, soll die Bevölkerung über das Radio informiert und gewarnt werden. Kostenpunkt, um das System aufrecht zu halten: 14 Millionen Franken pro Jahr. Bislang kam das Notfallradio noch nicht zum Einsatz. Zum Glück.
Denn laut einem internen Revisionsbericht des Verteidigungsdepartements (VBS) läuft das Ganze nicht gerade rund, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Erhebliche Mängel wurden gefunden.
Ein Kritikpunkt: Im Notfall soll über UKW, also Ultrakurzwelle, informiert werden. Eine veraltete Technik, die bis 2023 durch das neue DAB-System (Digital Audio Broadcasting), das digitale Radio, ersetzt werden wird.
Das hat einen grossen Nachteil: Mit DAB erreicht man nicht mehr die privaten Schutzräume und öffentlichen Schutzanlagen oder Keller, die unter der Erde liegen. Aber immerhin: Für den Notfall ist durch einen Vertrag zwischen VBS und Swisscom gesichert, dass die Bevölkerung über UKW informiert werden kann. Allerdings nur bis 2027. Für die Zeit danach gibt es noch keine Lösung.
In der Schweiz gibt es zu viele Warn-App-Muffel
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) weiss um das Problem. Daher würde man aktuell über neue Möglichkeiten nachdenken, um die Bevölkerung optimal zu warnen. Ziel sei es, ein perfektes Zusammenspiel der Warnsysteme zu entwickeln, damit die Schweiz flächendeckend informiert werden kann.
Dazu zählt auch die Warn-App «Alertswiss». Die App warnt beispielsweise bei Naturgefahren wie Hochwasser, Lawinen oder Murgängen, aber auch bei Pandemien, Trinkwasserverschmutzungen oder Reaktorunfällen. Herausgeber ist das Babs.
Zwar hat die Entwicklung lange vorher begonnen, die App gibt es in dieser Form aber erst seit 2018. Inzwischen gibt es eine Million Nutzer. Nicht gerade viel. Zum Vergleich: Die Schweiz hat fast neun Millionen Einwohner. Hierzulande gibt es noch zu viele Warn-App-Muffel.
Heisst: Im Notfall würde nur ein Bruchteil der Bevölkerung über die App informiert. Dementsprechend hochgesteckt ist auch das Ziel vom Babs. «Pro Haushalt streben wir eine Person an, die die App hat», sagte Babs-Kommunikationschefin Sandra Walker (60) kürzlich zu Blick. Dabei hat die App schon ordentlich Zuwachs erfahren. Für besonderen Schub sorgten Corona und der Ausfall der Notrufnummern.
Sirenen werden jedes Jahr getestet
Während es also beim Radio und der App noch kräftig Nachholbedarf gibt, können sich Schweizer im Notfall auf die Sirenen verlassen. Rund 7200 Sirenen gibt es zum Schutz der Bevölkerung. Davon werden rund 5000 Sirenen stationär und etwa 2200 Sirenen mobil eingesetzt.
Sie alle sind an das einheitliche Steuerungssystem Polyalert angeschlossen. Jedes Jahr werden sie getestet und heulen drauflos. So können defekte Anlagen umgehend repariert oder gleich ersetzt werden – und so bei Gefahr Leben retten. (jmh)