Wenn Eltern ihr Kind verlieren, fängt nicht nur die Trauerarbeit an, sondern oft auch ein Spiessrutenlauf mit den Behörden. Wie bei Carolina (48) und Walter Schäfer (52) aus Ziefen BL.
Sie waren am 6. Oktober 2016 im österreichischen Montafon wandern, als ihre Nicole (†14) einem Paar Platz machen wollte und sich an einem Holzgeländer festhielt. Es brach ein. Nicole stürzte in die Tiefe und starb im Spital.
Eltern mussten Schulden machen
Über 28 Monate später sind die leidgeprüften Eltern kaum weiter. «Nicht unbedingt wegen der Trauerarbeit», sagt Walter Schäfer. «Wegen des Kampfs mit den Behörden und Gerichten.»
Der Pflegehelfer und die Altenbetreuerin konnten nach dem Drama teils nicht mehr arbeiten. Die Rechnungen türmten sich. «Wir mussten Tausende Franken Schulden machen.»
Krankenkasse wollte zuerst zahlen, dann wieder nicht
Eine Rechnung traf sie besonders schwer. Auch emotional. «Die über 5250 Euro für den Heli-Transport unserer Tochter ins Spital.» Damals habe ihre Krankenkasse, die Groupe Mutuel, ihnen mitgeteilt, dass sie diese bezahlen werde. «Doch Monate später lehnte sie es wieder ab.»
So sei die Rechnung über ihren Anwalt wieder zurückgestellt worden. «So lange, bis es zur Übernahme der Kosten durch eine Verurteilung der Verantwortlichen der Gemeinde gekommen wäre», sagt Schäfer. Nur: Vor einem Jahr gab es vor Gericht einen Freispruch. «Obwohl das Geländer morsch war.»
Angestellter der Opferhilfe half
In ihrer Not hätten sie im Februar 2018 mit der Opferhilfe beider Basel Kontakt aufgenommen. «Leider gab es dort keine direkte Hilfe, weil der Unfall im Ausland passiert sei.» Aber: «Ein netter Angestellter verlangte eine Vollmacht, damit er der Sache bei Groupe Mutuel nachgehen könne.»
Vorerst tat sich nichts. Im November 2018 habe der Heli-Rettungsdienst ihrem Anwalt mitgeteilt, dass es keine Verlängerung der Rechnung mehr gäbe, so die Schäfers. «Wir gingen erneut zur Opferhilfe.» Mit spätem Erfolg: «Der Betrag wurde uns doch noch bezahlt.»
Allerdings zum Euro-Kurs, der 2016 aktuell war. «Es fehlten also circa 300 Franken», so Schäfer. Er habe bei der Krankenkasse wieder nachgehakt. «Ich bezahle jeden Monat Prämie. Dann werde ich verarscht – zwei Jahre lang!» Nach mühsamem Kampf lenkte die Kasse auch dort ein.
Ein Sprecher von Groupe Mutuel erklärt: «Wir hatten die Situation zunächst so beurteilt, dass es sich bei den Rettungskosten um den Transport des Leichnams handelte.» So hätte keine Kostenübernahme erfolgen können.
Groupe Mutuel wünscht Familie Geduld und Kraft
Beim Wechselkurs habe man den eigenen registrierten Wechselkurs übernommen. «Als wir den effektiven Wechselkurs auf dem Zahlungsauftrag der Bank von Herrn Schäfer sahen, haben wir die Korrektur der Rückerstattung vorgenommen.»
Groupe Mutuel bedaure, dass sie die Heli-Kosten zunächst abgelehnt habe. «Unsere Gedanken sind bei der Familie von Nicole Schäfer. Wir wünschen ihr viel Geduld und Kraft in dieser schwierigen Zeit.»
Dies können die Schäfers gebrauchen. Gestern fand in Feldkirch (A) der Berufungsprozess statt. Auch er endete mit einem Freispruch. Dabei haben die Eltern von Nicole nur einen Wunsch: «Gerechtigkeit für unsere Tochter. Dass endlich irgendwo steht, dass sie nicht selber schuld ist.»