Geschlechtsneutrale WCs, Elternzeit und Genderstern – in der Schweiz tobt ein Kulturkampf: jener um die Geschlechterfrage. Mit teils verhärteten Fronten. Kalt lässt die Debatte niemanden. Das zeigt die neue Initiative «Geschlechtergerechter» mit einer aktuellen Studie zum Thema Geschlecht und Identität.
Das Forschungsinstitut Sotomo hat in ihrem Auftrag 2700 Menschen in der Schweiz befragt – von Jung bis Alt. Traditionelle Rollenbilder sind vor allem unter Männern immer noch weit verbreitet. Im Vergleich zu den Frauen sind sie geradezu konservativ. Die wichtigsten Punkte aus der Studie:
Für Rechtswähler ist das Mannsein entscheidend
Wann ist ein Mann ein Mann? Diese Frage trieb nicht nur Herbert Grönemeyer um – sie teilt die Schweizer Männer in zwei politische Lager. Bei 62 Prozent der Männer, die sich als politisch rechts bezeichnen, ist das Mannsein ein zentraler Bestandteil ihrer Identität. Für zwei Drittel von diesen sogar der zentrale.
Bei den Linkswählern identifizieren sich gerade mal 12 Prozent stark mit ihrem Mannsein. Sie sagen auch eher mal: Ich bin Feminist. Der Studienleiter und Politgeograf Michael Hermann erklärt das so: «Die Genderdebatte wird von Rechtswählern als Angriff auf die alte Ordnung empfunden, auf ihr Mannsein.» Deshalb werde zum Beispiel die Genderstern-Debatte auch mehr von rechts geführt als von links.
Nur ein Vollzeit-Mann ist ein richtiger Mann
Geht es um die eigene Arbeit, verstehen Männer aller Couleur keinen Spass. Männer, die Vollzeit arbeiten, nehmen sich selber als männlicher wahr als Männer, die Teilzeit arbeiten. Frauen dagegen definieren ihr Frausein nicht darüber, ob sie Vollzeit oder Teilzeit arbeiten. Das hat Auswirkungen, wie eine andere Studie, die Sotomo jüngst durchgeführt hat, zeigt: Jeder zweite Hochschulabschluss geht an eine Frau, und trotzdem arbeiten sie ab dem 30. Lebensjahr immer weniger.
Und auch wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, schrauben sie ihr Pensum nicht hoch. Viele Männer scheint das nicht zu stören: Nur rund halb so viele Männer wie Frauen finden eine neue Rollenverteilung zu Hause gut. Diese Haltung könnte Folgen für die Politik, für Eltern- oder Papizeit, haben. Studienleiter Hermann sagt: «Wahrscheinlich ändern Gesetze wenig an der Aufgabenteilung, solange nicht zuerst ein Wandel in den Köpfen stattfindet.»
Männer finden vor allem weibliche Frauen sexy
Wenns um Sexappeal geht, sind Männer ziemlich altbacken. Heterosexuelle stehen auf stereotype Frauen, die hübsch sind und weiblich aussehen. Nur ein Drittel der Hetero-Männer finden Frauen attraktiv, die auch männliche Seiten haben – äusserlich oder charakterlich.
Auch bei homosexuellen Männern ist das Aussehen wichtig, wenn es um Sexiness geht. Ganz anders bei den Hetero-Frauen: Das Aussehen ist wenig zentral. Fast zwei Drittel von ihnen finden es zudem toll, wenn ein Mann auch weibliche Seiten hat. 77 Prozent der Frauen schätzen es, wenn Männer Tränen zeigen können. Wenig überraschend: Nur die Hälfte der Männer findet das auch positiv.
Die Ergebnisse bestätigen, was seit Jahrzehnten die Forschung immer wieder zeigt – trotz Emanzipation! Für Männer ist bei der Partnerwahl das Aussehen entscheidend, bei Frauen die finanzielle Absicherung durch den Partner.
Die Initiative #geschlechtergerechter versteht sich als Debatten-Raum – online als Website und im realen Leben mit Veranstaltungen. Treibende Kraft dahinter ist die Zürcher Mäzenin Monique Bär, die aus der Bankiersfamilie Bär stammt. Die Vision von Bär und ihrem Team: Menschen zusammenbringen, Konsens ermöglichen. Das Projekt ist breit abgestützt, von Pro Juventute bis zum Kaufmännischen Verband Schweiz. Und wird wissenschaftlich begleitet. Unter anderem durch eine alljährliche Befragung der Bevölkerung. Die aktuelle Studie ist exemplarisch, aber nicht repräsentativ.
Die Initiative #geschlechtergerechter versteht sich als Debatten-Raum – online als Website und im realen Leben mit Veranstaltungen. Treibende Kraft dahinter ist die Zürcher Mäzenin Monique Bär, die aus der Bankiersfamilie Bär stammt. Die Vision von Bär und ihrem Team: Menschen zusammenbringen, Konsens ermöglichen. Das Projekt ist breit abgestützt, von Pro Juventute bis zum Kaufmännischen Verband Schweiz. Und wird wissenschaftlich begleitet. Unter anderem durch eine alljährliche Befragung der Bevölkerung. Die aktuelle Studie ist exemplarisch, aber nicht repräsentativ.
Traditionelle Rollenbilder: Jüngere Frauen sind offener
Gerade für Jungs ist Männlichkeit ein grosses Thema. Bei einem Drittel von ihnen ist es sogar sehr wichtig für ihr Selbstbild. Diese Haltung zeigt sich auch in der Art und Weise, wie junge Männer über Geschlechter denken. Für 35 Prozent der 18- bis 25-Jährigen gibt es nur Mann und Frau und nichts dazwischen. Bei den 26- bis 35-jährigen Männern sind es sogar 39 Prozent. Die jungen Frauen hingegen sehen das lockerer: nur 8 Prozent der 26- bis 35-Jährigen glauben, dass es nur Männer und Frauen gibt.
Michael Hermann sagt: «Die Haltung der jungen Männer ist eine Gegenreaktion.» Die klassischen Rollenbilder zerfallen. Was einen Mann zu einem Mann macht, ist unklar. Aber gerade diese Frage beschäftigt Heranwachsende. «Einige sind verunsichert und versuchen, sich mit einer betonten Männlichkeit zu beweisen.» Die Folge davon: die Jugendkrawalle im Frühling. Die zunehmenden Angriffe auf Homosexuelle und Transmenschen. Oder, wie die Studie auch zeigt: Ein Fünftel der Nicht-Heteros fühlen sich wegen ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt.
Aber: Die rein männliche Schreibweise wird unpopulärer
Der Streit darüber ist grösser als die tatsächliche Verwendung im Alltag: Nur 7 Prozent verwenden bei der Bezeichnung von Berufen den Genderstern, Gendergap oder Doppelpunkt.
Doch auch das Gegenteil, das generische Maskulinum – die rein männliche Schreibweise, bei der Frauen mitgemeint sind – ist gemäss Hermann nicht mehr mehrheitsfähig. Nur noch 27 Prozent – vor allem Männer! – verwenden es. Die grösste Gruppe aber, mehr als ein Drittel, verwendet Doppelnennungen wie zum Beispiel Leserinnen und Leser.