Der Ukraine-Krieg entsetzt die Welt. Viele wollen helfen – auch in der Schweiz. Zehntausende haben bereits gespendet und überall im Land stellen Menschen ihre Betten für Flüchtlinge zur Verfügung. Die Solidarität ist riesig.
Auch Nicolas Bürer (43), ehemaliger CEO von digitalswitzerland, und seine Partnerin Allison Gorecki (39) aus Kanada wollen helfen, wo es nur geht. Weil Goreckis Firma fünf Mitarbeiterinnen in der Ukraine hatte, entschlossen sich die beiden kurzerhand, diese in die Schweiz zu holen. Das war nicht so einfach, wie gedacht.
Über 4 Stunden Wartezeit an den Grenzen
So erstellte die Kanadierin einen Chat und bat ihre Mitarbeitenden, sie über den aktuellen Stand auf dem Laufenden zu halten. Anschliessend fuhr das Paar mit dem Auto an die slowakische Grenze. Die Hinfahrt glich einer Odyssee. An den Grenzen herrschte wegen der vielen Flüchtlinge jeweils kilometerlanger Stau.
«An der rumänischen Grenze mussten wir aufgrund der vielen Autos mit Flüchtlingen ganze viereinhalb Stunden warten», sagt Bürer zu Blick. Obwohl die Lage sichtlich angespannt war, sei die Stimmung friedlich und ruhig gewesen. Freiwillige des Roten Kreuzes hätten sogar an die Wartenden sogar Essen verteilt.
Schliesslich gelang es, den Schweizern zur Grenzkontrolle vorzudringen. Aber auch hier verlief nicht alles reibungslos. «Aufgrund unseres Schweizer Kennzeichens wurden wir zuerst sorgfältig beäugt.» Als sie den Grenzwächtern ihre Situation erklärten, durften sie passieren.
Bürer sei das alles surreal vorgekommen. «Wenn man umgeben von bewaffneten Militärangehörigen ist, die einen an der Grenze kontrollieren, dann wird einem bewusst, dass nur wenige Kilometer entfernt tatsächlich Krieg herrscht.»
«Würden jederzeit wieder die Reise auf uns nehmen»
In der Slowakei angekommen, warteten auf das Paar nicht fünf, sondern acht Flüchtlinge aus der Ukraine. Die Mitarbeiterinnen hatten auf ihrer Flucht noch eine Mutter mit ihren beiden Kindern aus der Ukraine getroffen und kurzerhand mitgenommen. Auch sie sollten in Sicherheit gebracht werden. Die Männer der Frauen durften nicht mit. Sie müssen in der Ukraine bleiben. Kämpfen! Der Grund: Militärpflicht.
Und so nahmen Gorecki und Bürer nur Frauen und deren Kinder mit. «Wir konnten innert sechs Stunden alle Flüchtlinge auf Familien im Grossraum Zürich verteilen», so die Kanadierin. Selber Flüchtlinge aufnehmen, kann das Paar aus Platzgründen nicht. Das Schicksal der zerrissenen Familien beschäftigt sie aber weiterhin. Bürer zu Blick: «Besonders dramatisch ist, dass keiner weiss, ob es wieder zu einem Zusammentreffen kommen wird.»
Für das Paar ist klar: «Wir würden jederzeit wieder die Reise auf uns nehmen, um diese Menschen in Sicherheit zu bringen.»