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Missverständnis Herdenimmunität
So beeinflussen Ungeimpfte den Pandemie-Verlauf

Rund 12 Prozent der Schweizer Bevölkerung wollen sich nicht impfen lassen. Wie problematisch ist das?
Publiziert: 08.06.2021 um 21:40 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2021 um 13:26 Uhr
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Missverständnis Herdenimmunität: Top-Virologe Christian Drosten erklärt, warum das nicht funktionieren kann.
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Sven Ziegler

Es gibt keinen Schutz für Ungeimpfte. Die Warnung von Deutschlands Top-Virologe Christian Drosten (48) rüttelt auf. «Alle, die sich nicht impfen lassen, werden sich mit Sars-CoV-2 infizieren», sagte Drosten im Onlinemagazin «Republik».

Denn: Die viel zitierte Herdenimmunität sei ein Missverständnis. Es sei einfach nicht so, dass das Virus verschwinde, wenn 70 Prozent immun seien. Denn da Menschen keine geschlossene Gruppe sind, sondern herumreisen und sich austauschen, wird auch das Virus sich immer weiterverbreiten.

Politik macht Druck

Der Druck auf die ungeimpften Personen in der Schweiz nimmt mit dieser Aussage weiter zu. Auch die Schweizer Politik drückt aufs Gas. Bundespräsident Guy Parmelin (61) etwa stellt sich gegen Impfablehner, sieht das Impfen quasi als eine Art «Bürgerpflicht». Wer sich der Impfung verweigere, müsse dafür die Konsequenzen tragen, so Parmelin.

Dabei ist die Quote der Personen, die sich auf keinen Fall impfen lassen wollen, in den vergangenen Monaten stark gesunken. Nur rund 12 Prozent sprechen sich noch klar gegen eine Impfung aus. Die Impfbereitschaft hingegen ist stark gestiegen. Gaben im Dezember nur rund 35 Prozent der Bevölkerung an, sich impfen lassen zu wollen, stieg diese Quote bis zu einer Umfrage der Hochschule Luzern im Mai auf knapp 75 Prozent.

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Wissenschaft mahnt zur Ruhe

Auch die Zahl der verabreichten Impfungen steigt stetig. Das BAG teilte am Dienstag an einer Medienkonferenz mit, dass bereits jeder zweite Erwachsene mindestens eine Corona-Impfung erhalten hat. Rund ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung ist bereits vollständig geimpft.

Immunologe Daniel Speiser (65) von der Universität Lausanne sagt allerdings, es mache keinen Sinn, immer mehr Druck auf impfunwillige Personen auszuüben. «Nicht alle können sich impfen lassen, manche wollen auch nicht. Wenn zu viel Druck ausgeübt wird, schreckt das die Leute eher noch ab.»

Wichtig sei, dass sich alle impfwilligen Leute piksen lassen und sich so vor einem schweren Krankheitsverlauf schützen können. Dennoch mahnt Speiser, nicht aus Bequemlichkeit auf die Impfung zu verzichten. «Wer sich nicht impfen lässt, geht andere Risiken ein, beispielsweise Long Covid.»

Herdenimmunität kaum realistisch

Das viel diskutierte Ziel einer Herdenimmunität werde man wahrscheinlich nicht erreichen, sagt Speiser. «Das Virus wird weiter zirkulieren. Daher müssen wir uns darauf konzentrieren, schwere Verläufe zu verhindern. Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben.»

Mit dem aktuellen Verlauf der Impfkampagne in der Schweiz zeigt sich Immunologe Speiser sehr zufrieden: «Wir sehen von Woche zu Woche eine Steigerung. Das ist nicht nur der Politik, sondern vor allem auch den Helfern und dem Gesundheitspersonal zu verdanken. Das geht oft vergessen – diese Leute haben ein grosses Lob verdient.»

International dringender Handlungsbedarf

International gebe es allerdings dringenden Handlungsbedarf. «Die globalen Zeichen sind noch immer alarmierend. Die westlichen Länder sind nun sehr weit fortgeschritten mit der Impfung, machen international gesehen allerdings noch deutlich zu wenig», sagt Speiser.

Gefordert sei etwa die Unterstützung für ärmere Länder – etwa mit Geld, Impfstoff oder auch medizinischem Personal. Die Politik habe den Ernst der Lage zwar erkannt, nun müssten Taten folgen, sagt Daniel Speiser. «Es wird sich nun zeigen, ob die internationale Gemeinschaft fähig ist, gemeinsam eine Lösung zu finden. Das ist ein dringliches Problem, das wir umgehend anpacken müssen.»

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