Der Fall William W.* (46) lässt an der Justiz zweifeln: Der Pädophile mit kolumbianischen Wurzeln verging sich seit den 90er-Jahren immer wieder an Kindern. Und kam trotzdem immer wieder auf freien Fuss. Letztes Jahr soll er sich dann an einem Achtjährigen vergriffen haben.
Die Regierung des Kantons Solothurn liess extern abklären, warum der Wiederholungstäter wieder in Freiheit gelangen konnte. Die Resultate wurden am Montag an einer Pressekonferenz öffentlich gemacht. Sie lösen bei einem früheren Opfer von W. Kopfschütteln aus.
Gutes Zeugnis für die Solothurner Behörden
Die Regierung habe von unabhängigen Experten ein «gutes Zeugnis» im Fall William W. bekommen, heisst es in der Zusammenfassung der Staatskanzlei. Ein Persilschein für den Solothurner Justizvorsteher Roland Fürst (CVP) und die Innendepartements-Vorsteherin Susanne Schaffner (SP), die sich an der Pressekonferenz nur selten zu Wort meldeten.
Selina S.* (21) würde dieses «gute Zeugnis» nicht unterschreiben. Die heute 21-Jährige wurde als Kind Opfer von William W. Sie sagt: «Dieser Bericht ist eine Schande!» Selina S. hat jetzt nur noch einen Wunsch: «Dass W. lebenslänglich verwahrt wird. Und wenn nicht, dann ist den Behörden nicht mehr zu helfen.»
Wie konnte der Wiederholungstäter in Freiheit kommen?
Joe Keel, Sekretär des Ostschweizer Strafvollzugskonkordats, hat den Bericht mitverfasst. Und muss erklären: Wenn alle ihren Job «gut» erledigten, wie konnte es dann zu einem neuen mutmasslichen Übergriff kommen?
Vor allem im Bundesrecht gebe es Schwachstellen im rechtlichen Rahmen, so Keel. Auch die Aufteilung der Kompetenzen sei nicht gut.
Konkret: William W. hat das System übertölpelt. Man habe damals entscheiden müssen, ob man eine Verlängerung der stationären Massnahme in einer Anstalt oder die Verwahrung forcieren wolle, beschreibt Keel das Dilemma. Weil W. zu diesem Zeitpunkt Fortschritte zeigte, sei eine Verwahrung nicht haltbar gewesen. Denn nur wer nicht therapierbar ist, darf verwahrt werden.
«Ja, das ist eine Lücke. Ja, das lässt einen ratlos zurück»
Also habe man auf die Verlängerung der Massnahme gesetzt. Aber weil W. da bereits nicht mehr kooperierte, musste er auf freien Fuss gesetzt werden. Eine Massnahme muss bei Aussichtslosigkeit abgebrochen werden.
Absurd: Weil eine Verwahrung zu diesem Zeitpunkt bereits vom Tisch war, gab es kein Zurück mehr! Es sei also gar nichts anderes möglich gewesen, als W. aus der geschlossenen Anstalt zu entlassen. «Das ist eine Lücke», sagte selbst Experte Keel.
Eine Änderung der Gesetze sei auf Bundesebene bereits angestossen worden. Wann und ob diese in Kraft tritt, ist unklar.
*Namen der Redaktion bekannt