Ein 2-Millionen-Franken-Haus in Oensingen sorgt seit Wochen für Stunk in der 6000-Seelen-Gemeinde des Kantons Solothurn. Obwohl das Haus in einer Reservezone steht – in der die gleichen Bedingungen wie für Landwirtschaftszonen gelten und Wohnhäuser nur unter strengsten Auflagen zugelassen sind – wurde rund 30 Jahre nach dem Bau des Gebäudes eine Umnutzung zu einem Wohnhaus durch den Kanton problemlos bewilligt.
Gleichzeitig aber musste, wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt, ein asphaltierter Strassenabschnitt zum Aussichtsrestaurant «Roggen» nach einem Bundesgerichtsentscheid für viel Geld wieder abgerissen werden, weil diese ebenfalls nicht zonenkonform gebaut worden war. Hier bestand ein erhebliches Interesse von Einwohnern, Touristen und Gemeinde, die Strasse in ihrem damaligen, jedoch illegalen Zustand beizubehalten. Ganz im Gegensatz zum Wohnhaus.
Zwei zonenfremde Bauten, nur eine davon muss abgerissen werden: Diese Ungleichbehandlung stellt für viele Oensinger einen Affront dar. Sie fragen sich aktuell: «Wieso eigentlich?»
Wohnen in der Schweiz
Einer davon ist der pensionierte Lehrer Kuno Blaser (76). Er ist sauer: «Es geht mir um Gerechtigkeit», wiederholt er mehrmals während des Blick-Interviews. «Wie kann es sein, dass mit zwei unterschiedlichen Ellen gemessen wird?» Doch: Was war zuvor passiert?
Jahrzehntelange Vorgeschichte
1992 errichtete eine wohlhabende Oensingerin ein Wohnhaus an einem Hang der Gemeinde, damals noch in einer Wohnzone. Sie lebte dort jahrzehntelang. Sie brachte sich in der Gemeinde ein und spendete, laut Blasers Aussagen, unter anderem auch Geld für grössere Bau-Projekte in ihrem Heimatdorf. In der Zwischenzeit wurde die Parzelle, auf der das Haus erbaut wurde, umgezont und fortan als Reservezone geführt. Das Haus selbst wurde so zu einer «zonenfremden Baute» und blieb seither in diesem halblegalen Zustand, ohne dass es zu Querelen gekommen wäre. Mit dem Ableben der Besitzerin stellte sich aber die Frage nach der Rechtmässigkeit des 30-jährigen Wohnbaus neu.
Eine Erbengemeinschaft beantragte im Jahr 2021 schliesslich die Umnutzung des Gebäudes zu einem Wohnhaus, um es zu verkaufen. Eigentlich ein höchst komplizierter Vorgang in einer Reservezone. In diesem Fall lief die Bewilligung aber reibungslos ab.
In den sozialen Medien zeigt sich der Gemeindepräsident bei dieser Geschichte redselig: «Das fragliche Gebäude besitzt eine Baubewilligung aus dem Jahr 1991. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die beanspruchte Parzelle in der Bauzone. Die Baubewilligung wurde damals somit rechts- und zonenkonform erteilt.»
Eine anonyme Kaufanfrage beim Makler bringt Klarheit, wie das Haus genutzt werden kann. Die unverbaubare Aussicht und die weitläufige Parzelle machen das Objekt grundsätzlich attraktiv. Es war bis vor Kurzem auf Immobilienportalen für einen Preis knapp unterhalb von 2 Millionen Franken zu haben. Der Reservezonen-Status wird dabei durch den Makler transparent aufgezeigt und es wird somit darauf hingewiesen, dass Umbauten nur unter strengen Auflagen zugelassen sind. Tempi passati. Mittlerweile ist der Angebotspreis gefallen. Knapp über 1,5 Millionen Franken kostet das Objekt aktuell.
Es bleiben Zweifel
Doch ging bei der Immobilie alles mit rechten Dingen zu? Eine Nachfrage beim Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) offenbart zumindest Zweifel: «Gebäude, die ursprünglich auf Bauparzellen errichtet und umgezont wurden, dürfen im Nachhinein unter Auflagen als Wohngebäude bewilligt werden. Es ist aber tatsächlich nicht ganz nachvollziehbar, wie hier vorgegangen wurde. Die Umnutzung hätte nach einem anderen Paragrafen des Raumplanungsgesetzes stattfinden müssen.» Ein Detail! Im Gesamtkontext mit dem Bau der Roggenstrasse aber entscheidend. Denn diese wäre wohl nach aktuellem Dafürhalten bewilligungsfähig und hätte – mit denselben Massstäben gemessen – nicht abgerissen werden müssen.
Dass das Haus nachträglich als Wohnhaus bewilligt wurde, stört Blaser nicht. Die Ungleichbehandlung, angesichts des Abbruchs der Bergstrasse, stösst ihm aber sauer auf. Die Gemüter in Oensingen haben sich noch nicht beruhigt. Im Gegenteil. Kuno Blaser will der Sache weiter nachgehen und «unangenehm bleiben», wie er betont: «Es sind noch nicht alle Fragen beantwortet.»