Mord! Paula M. zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt
Das Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt in Solothurn hat am Freitagmorgen sein Urteil bekannt gegeben: Paula M. muss wegen Mordes an zwei ihrer drei Kinder 16 Jahre ins Gefängnis.
Im Strafvollzug hat die Frau eine ambulante therapeutische Behandlung zu absolvieren. Auf die heute 41-Jährige kommen zudem hohe Kosten zu. Das Gericht sprach dem Vater der Getöteten eine Genugtuung von 140'000 Franken und der ältesten, zur Tatzeit 12-jährigen Tochter aus einer früheren Beziehung, 70'000 Franken zu. Dazu kommt die Verpflichtung zu Schadenersatzleistungen.
Paula M. wurde auch der Verleumdung des Ehemanns schuldig gesprochen. Zusätzlich zur Freiheitsstrafe sprach das Gericht eine bedingte Geldstrafe aus. Weil die Schweizerin ihren damaligen Ehemann zu Unrecht als Gefahr für die 7 und 8 Jahre alten Mädchen angeschwärzt hatte, wurde sie auch wegen Verleumdung schuldig gesprochen. Dafür erhielt sie eine bedingte Geldstrafe. Sie hatte kurz vor der Tat noch ihrem Scheidungsanwalt die alternierende Betreuung von Vater und Mutter für die Kinder vorgeschlagen.
Psychiater diagnostizierte Persönlichkeitsstörung
Die Urteilsfindung hatte sich das Gericht nicht leicht gemacht. Es erwog verschiedene Hypothesen, die der psychiatrische Gutachter für das Motiv dargelegt hatte. Er hatte bei der Frau unter anderem eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und Borderline-Anteilen festgestellt.
Das Gericht und kam zum Schluss, dass man die Tat nicht verstehen könne, wenn man bloss eine dieser Hypothesen betrachte. Es gehe um ein "Gemenge unterschiedlicher Faktoren", sagte der vorsitzende Richter. Zum besseren Verständnis der Tat blendete das Gericht zurück bis im Sommer 2020, als die Frau sich von ihrem Ehemann trennte und mit den Töchtern nach Gerlafingen zog.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann ans Obergericht des Kantons Solothurn weitergezogen werden.
Das letzte Wort der Angeklagten
Die Angeklagte entschuldigt sich für die Situation, die durch sie entstanden ist. Und es tut ihr leid, dass Menschen ihretwegen leiden müssen. «Ich will mich nicht als Opfer darstellen. Ich bin da, um Verantwortung zu übernehmen für meine Tat. Ich will mich hier entschuldigen.» Der Vorsitzende Richter erklärt die Verhandlung als beendet. Das Urteil erfolgt am Freitag um 10 Uhr.
Kläger widersprechen Verteidigung
Die Staatsanwältin lässt die Sicht der Verteidigung nicht so stehen. Dass sich die Angeklagte umbringen wollte, stelle die Staatsanwältin nicht in Abrede. «Aber das tut nichts zur Beurteilung der Tötungen», sagt die Anklägerin. Sie hat trotzdem bewusst dem Kindsvater im Zeitpunkt der Trennung die Kinder für immer weggenommen. Die Anwältin der Privatklägerin stösst ins gleiche Horn: «Sie wollte ja meine Mandantin, ihre älteste Tochter, nicht töten. Auch hat sie nicht wirklich versucht, sich selber umzubringen. Das zeigt für mich, sie wollte sich nur rächen.» Die Anwältin des Kindsvaters kann die Strafreduktion durch die Borderline-Störung nicht verstehen. «Nur weil sie die Realität nicht einschätzen kann, kann sie trotzdem einen Mord begehen und muss dafür bestraft werden.»
Verteidiger plädiert auf zweifache vorsätzliche Tötung
Am Schluss seines Plädoyers fordert der Verteidiger für seine Mandantin eine Bestrafung für zweifache vorsätzliche Tötung. Er findet weder Totschlag noch Mord eine korrekte Qualifikation. Als Strafmass sieht er 13 Jahre als angemessen. Als Einsatzstrafe wären 16 Jahre anzusetzen, aber wegen der mittelgradig verminderten Schuldfähigkeit reduziert sich die Strafe.
Verteidigung streitet Rachemotiv ab
«Meine Klientin wollte keine Rache. Sie hat im Gutachten die Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert erhalten. Für sie war die Bedrohung für die Kinder durch den Ex-Mann nicht gespielt. Sie sah keinen Ausweg mehr. An dem Samstagmorgen wollte sie die Kinder lieber in den Tod schicken, als der Gefahr zu überlassen», sagt der Anwalt. «Das ist eine Fehleinschätzung, aber aus der Sicht meiner Klientin Realität», erklärt der Anwalt.
Warum tötete sie?
Dann versucht auch der Anwalt das Motiv seiner Klientin zu klären. «Meine Klientin hatte Angst vor ihrem Ex-Mann», sagt der Anwalt. Und weiter: «Sie hatte sich im Vorfeld sogar bei der Kesb gemeldet. Sie glaubte, der Ex-Mann habe sich gegenüber den Kindern aggressiv verhalten.» Sie sei verzweifelt gewesen. Am Vortag der Tat habe es einen schlimmen Streit gegeben. «Meine Mandantin wollte, dass der Kindsvater vorbeikommt. Der wollte aber lieber in das Tessin. Sie brauchte moralische Unterstützung, sie hatte gesundheitliche Probleme. Dann stritten sie auch noch über die Scheidungskonvention. In der Nacht hatte sie schlimme Träume. Schliesslich wollte sie sich umbringen und auch die Kinder mitnehmen. Um sie zu schützen.» So richtig schlüssig kann der Anwalt aber die Seite seiner Mandantin nicht erklären. Warum will sie die Kinder schützen, indem sie sie tötet? Diese Frage lässt der Verteidiger offen.
Verteidiger betont schwere Kindheit
Die Angeklagte habe einen schweren Start ins Leben gehabt, erklärt der Anwalt. «Sie wuchs auf den Strassen von São Paulo auf. Sie kannte den Vater nie, an die Mutter kann sie sich kaum erinnern. Es fehlte an allem. Sie landete im Waisenhaus.» Auch die Zeit nach der Adoption im Tessin habe sie nicht in guter Erinnerung, sagt der Anwalt. Die Adoptivmutter habe sie nicht gern gehabt. «Sie schlug meine Klientin, wenn sie nicht gehorchte, musste sie draussen schlafen. Der Vater war zwar sehr lieb, aber war nie da. Er arbeitete viel, und hatte ein zeitaufwändiges Hobby.»
Plädoyer der Verteidigung beginnt
Der Anwalt der Mord-Angeklagten stellt am Anfang des Vortrags gleich klar: «Ich habe die schwierige Aufgabe, eine Frau zu vertreten, die das Schlimmste getan hat, was eine Mutter tun kann. Sie hat ihre eigenen Kinder getötet. Ein Urteil im Vorfeld darf man aber nicht machen. Ich versuche das Leben meiner Klientin aufzuzeigen.»
Es folgt Mittagspause bis 13.30 Uhr.
Angeklagte starrt stoisch ins Leere
Während den Plädoyers von Staatsanwältin und Anwältinnen der Privatkläger starrt die Angeklagte bewegungslos in Richtung des Richtergremiums. Es ist nicht klar, ob sie die in Dialekt gehaltenen Vorträge schlicht nicht versteht. Sie zeigt keine Gefühle.
Wie kann eine Mutter ihre eigenen Kinder töten? Diese Frage möchten wohl viele Leute der mutmasslichen Mörderin von Gerlafingen SO stellen. 2021 brachte Paula M.* (41) ihre beiden Töchter um, jetzt steht sie vor Gericht. Am Dienstag machen ihr die Solothurner Richter am Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt den Prozess. Blick berichtet live aus dem Gerichtssaal.
Mutmasslicher Messermord
Die Staatsanwaltschaft klagt die Schweizerin wegen mehrfachen Mordes an. Die Behörde wirft Paula M. vor, ihre Töchter mit einem Messer erstochen zu haben. Vorsätzlich.
Passiert ist die Gewalttat vor mehr als drei Jahren. Am Samstag, 16. Januar 2021 lagen in einer Wohnung eines Mehrfamilienhauses zwei kleine Kinder in ihrem eigenen Blut.
Es ist kurz nach 9.20 Uhr, als bei der Polizei die Horrornachricht eingeht. Sofort rücken mehrere Patrouillen aus. Auch die Ambulanz fährt vor. Die Meldung bestätigt sich. Die Polizei macht den traurigen Fund. Zwei tote Mädchen im Schulalter. Polizisten verhaften Paula M. vor Ort.
Es gibt noch ein weiteres Mädchen – die ältere Schwester der beiden Getöteten. Wie der Regionalsender Tele M1 berichtete, kümmerte sich die Kesb nach der Tat um die damals Zwölfjährige.
«Sie waren so süsse Mädchen»
Die Nachricht vom Verbrechen macht schnell die Runde. Die Trauer über den Verlust der beiden Kinder ist gross. «Sie waren so süsse Mädchen und kamen immer gern zu uns», sagte damals ein Verwandter zu Blick. «Sie liebten Tiere und das Skifahren in der Leventina.»
Auch die Nachbarn im Quartier sind traurig. «Jeden Morgen, wenn ich hier vorbeigekommen bin, sassen sie beim Frühstück», meint ein Anwohner. Eine Frau fügt hinzu: «Das geht einem extrem nah. Wir haben sie oft draussen spielen sehen – und jetzt das.»
Nach der Tat eröffnet die Staatsanwaltschaft ein Verfahren, untersucht und ermittelt. Als die Behörde im August 2023 verkündet, Anklage zu erheben, gibt sie noch ein weiteres Detail preis. Nämlich, dass Paula M. ihre Horrortat gestanden hat. Die Frau befindet sich im vorzeitigen Strafvollzug.
Tatmotiv noch immer unbekannt
Da M. geständig ist, stellt sich am Dienstag beim Prozess hauptsächlich die eingangs gestellte Frage: Wie kann eine Mutter ihre eigenen Kinder töten? Noch immer ist der Öffentlichkeit das Tatmotiv der Frau unbekannt.
Was aber über sie bekannt ist: Sie ist in Brasilien zur Welt gekommen und hat eine unschöne Kindheit erlebt. Ihre Mutter war drogensüchtig. Eine streng katholische Familie aus dem Tessin adoptierte Paula M. und brachte sie in die Schweiz. Später versuchte die Frau, als Künstlerin und Innendekorateurin Fuss zu fassen. Und unterrichtete behinderte Kinder. Vom Vater der beiden getöteten Mädchen lebte M. zum Tatzeitpunkt getrennt.
Urteil am Freitag
Der Rucksack, den M. mit sich trug, war also schwer. Vielleicht erzählt sie vor Gericht, warum sie zum Messer gegriffen und ihre Töchter erstochen hat.
Das Gericht verkündet voraussichtlich am Freitag sein Urteil.
*Name geändert