«Er steckte meinen Bruder einfach im Leichensack in den Sarg!»
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Simone F. über Kevin Huguenin:Der Jungbestatter zockte uns ab!

So nimmt Jungbestatter Kevin Huguenin (21) Angehörige aus
«Er steckte meinen Bruder einfach im Leichensack in den Sarg!»

Abzockpreise, fehlende Leistungen, Einschüchterung mit Inkassobüros! Angehörige packen im Blick aus, wie Kevin Huguenin (21) nicht nur bei der Bergung horrende Preise verlangt. Auch für die Bestattung verlangt der Jungbestatter horrende Summen.
Publiziert: 26.04.2021 um 00:48 Uhr
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Aktualisiert: 26.04.2021 um 07:57 Uhr
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Simone F. buchte bei Kevin Huguenin eine Bestattung für 2990 Franken. «Ein Pauschalangebot», sagt sie.
Foto: STEFAN BOHRER
Flavio Razzino

Klingen tut es gut. «Einfühlsam, freundlich, familiär» – so wirbt der «jüngste Bestatter» der Schweiz, Kevin Huguenin (21), für seine Dienste in Bern. Die Realität sieht anders aus. Blick deckte auf: Huguenin geschäftet weder einfühlsam noch freundlich. Er schockiert stattdessen Angehörige mit überrissenen Rechnungen bei der Erstbergung und soll Leichname zurückhalten, um das Geld einzutreiben.

Neue Recherchen zeigen jetzt: Nicht nur nach Polizeibergungen häufen sich die Vorwürfe an die Adresse des Jungbestatters. Auch bei der Organisation der Beerdigung soll Huguenin Angehörige abzocken.

Mitarbeiter hat Foto von Leichnam auf Handy

So zum Beispiel Simone F.* (55). Ihr Bruder ist 2019 überraschend an einem Herzinfarkt gestorben. Für die Bergung hat die Kantonspolizei Huguenins Firma aufgeboten. «Danach hat uns diese Firma auch gleich noch die Bestattung verkauft», sagt F.

Und es sich dabei bei den Lebendigen geholt. «Beim Beratungsgespräch wurde uns ein Pauschalangebot von 2990 Franken gemacht», erinnert sie sich. Inbegriffen: «Abholung des Verstorbenen, Einsargen und Einkleiden, Organisation der Termine, Erledigung der amtlichen Formalitäten, Sarg inklusive Kissen und Ausstattung sowie eine 24-Stunden-Begleitung.»

Das Gespräch mit den Mitarbeitern von Huguenins Firma hätte allerdings nicht schlechter laufen können. «Ich wollte meinen Bruder vor der Kremierung noch sehen, doch die Mitarbeiter verwehrten mir das. Man habe den Leichnam nach der Bergung direkt in einen ihrer Kühler nach Münchenbuchsee BE gebracht», erzählt F. Der Mitarbeiter habe sein Handy aus der Tasche geholt und der geschockten Trauerfamilie ein Foto des Leichnams aus dem Leichensack gezeigt. Das soll reichen.

«Ich war sprachlos! Wer kommt auf die Idee, ungefragt einen Leichnam zu fotografieren und auf seinem Handy zu speichern?», fragt sich F. Sie bestand weiterhin darauf, ihren Bruder noch einmal sehen zu können. Huguenins Mitarbeiter öffneten deshalb eine Viertelstunde vor der Kremation nochmal den Sargdeckel. «Er lag entgegen dem Angebot immer noch im Leichensack, in dem er geborgen wurde. Kein Kissen im Sarg, keine Bespannung, kein Leichenhemd – es tat weh, ihn so lieblos im Sarg liegen zu sehen», sagt F.

Über 1500 Franken höhere Rechnung als vereinbart

Nach der Bestattung folgte der Preishammer. Statt der vereinbarten 2990 Franken wollte Huguenin 4647.25 Franken sehen. «Ich glaubte zuerst an einen Fehler», sagt F. Der Jungbestatter rechnete zu den 2990 Franken noch 295 Franken für die Benutzung des eigenen Kühlraums, 250 Franken für die Begleitung an der Trauerfeier. Und fürs Öffnen des Sargs vor der Kremation wollte Huguenin 180 Franken zusätzlich sehen – für seine «Aufwände».

«Weil mein Bruder mittellos war und ich das Erbe ausgeschlagen hatte, willigte die Wohngemeinde meines Bruders ein, die Kosten für die Bestattung zu übernehmen», sagt F. Auch dort staunte man aber über die horrende Rechnung. Man zahle lediglich den ortsüblichen Preis für eine Bestattung: 1790 Franken.

Die dafür zuständige Mitarbeiterin auf der Gemeinde riet F. eindringlich, von Huguenin detailliert erklären zu lassen, wie hoch seine Aufwände für diese Bestattung tatsächlich gewesen waren. «Er muss ausweisen können, was genau er Ihnen in Rechnung stellt.»

Hugenin will Aufwände nicht offenlegen

Doch Huguenin weigerte sich, seine Kosten für die Bestattung offenzulegen. Stattdessen hetzte er der Familie keine fünf Tage nach der Rechnungsstellung ein Inkassobüro auf den Hals. «Damit war das Fass voll! Handyfoto des Leichnams, überrissene Rechnung, Betreibungsandrohung – alles innerhalb eines Monats! Ich konnte nicht mehr», sagt sie. Und begann schliesslich, die teure Rechnung aus Angst vor einer Betreibung abzustottern.

Ein Einzelfall? Nein! Auch Marcel K.** aus Lyss BE wurde nach dem Tod seines Vaters im Oktober 2020 von Huguenin mit einer Fantasierechnung konfrontiert. «Wir einigten uns beim Erstgespräch auf ein von ihm angebotenes Pauschalangebot von 4990 Franken – dazu gehörte gemäss Abmachung alles, was für eine Bestattung nötig ist», sagt K. Die Urne für die Asche nach der Kremation organisierte die Trauerfamilie privat.

Aus 4990 Franken werden 6700 Franken

Trotzdem stellte Huguenin am Ende eine Rechnung von 6752.80 Franken. Auch hier wollte er rund 300 Franken für die Benutzung seines Kühlraums, 250 Franken für eine Urne sowie 250 Franken für die Begleitung an der Trauerfeier. Zudem 390 Franken für Rosen und einen Urnenkranz. «Wenn mir jemand ein Pauschalangebot anbietet, erwarte ich keine zusätzlichen Kosten mehr. Und sonst hätte er mir das explizit sagen müssen», sagt K. zu Blick.

Dass Huguenin ihm eine Urne in Rechnung stellte, obwohl die Familie eine eigene organisiert hatte, sei da nur noch dreist. Marcel K.: «Seine Begründung: Er habe nach der Kremation die Asche von seiner Urne in unsere umschütten müssen – seine Urne sei damit gebraucht worden und koste darum 250 Franken.» Allerdings bietet das Krematorium für solche Fälle entweder kostenlose Leihurnen oder neue Biournen für 30 Franken an.

Als Marcel K. bei Huguenin wegen der Rechnung reklamierte, reagiert dieser wie bei Simone F.: Ein Inkassobüro wurde eingeschaltet. Kurze Zeit später liess er den Sohn betreiben. Marcel K. beeindruckt das aber wenig. «Ich lass mich nicht über den Tisch ziehen – das Gericht wird nun entscheiden müssen, ob Huguenin tatsächlich so mit Angehörigen umspringen darf», sagt K.

Ombudsmann: «Gespräche mit ihm bringen meistens keinen Erfolg»

Fühlen sich Angehörige von Bestattern abgezockt, können sie sich an die Ombudsstelle des Schweizerischen Verbands für Bestattungsdienste wenden. Die meisten seriösen Unternehmen sind dort Mitglied. Nicht aber die Firmen Huguenin Bestattungen sowie Thomas Müller Bestattungsdienst GmbH, die der Jungbestatter aufgekauft hat.

Angesprochen auf Huguenin verwirft Ombudsmann Adrian Hauser verzweifelt die Hände. «Wir stellen fest, dass Angehörige immer wieder überrascht sind ob der hohen Rechnungen, die nach einer Bestattung mit seiner Firma ins Haus flattern. Sie wenden sich dann an uns. Doch wir können nicht viel mehr machen, als das Gespräch mit ihm zu suchen. In den allermeisten Fällen verlaufen diese jedoch erfolglos», sagt er.

Blick hat Kevin Huguenin – wie schon bei den ersten Recherchen – mehrmals um eine Stellungnahme gebeten. Der Promi-Bestatter bleibt dabei: kein Kommentar. Er schweigt wie ein Grab.

* Name geändert
** Name der Redaktion bekannt

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