Postauto-Kontrolleur beleidigt
Wegen «Arschloch» muss Rentner Erwin 1140 Franken zahlen

Rentner Erwin muss 1140 Franken zahlen, weil er einen Kontrolleur im Postauto als «Arschloch» bezeichnete.
Publiziert: 23.06.2021 um 11:24 Uhr
Ein Rentner muss 1140 Franken zahlen, weil er einen Kontrolleur als «Arschloch» bezeichnete. (Symbolbild)
Foto: Philippe Rossier

Erwin* (72) ist so richtig wütend. An einem Montag vor einem Jahr will er von Schinznach-Dorf AG nach Brugg AG fahren. Er nimmt das Postauto. Ein Abo hat er nicht, aber auf einem Plakat steht, das Billett könne im Bus bezogen werden.

Also alles gut, eigentlich. Denn natürlich kommt Erwin just an dem Tag in eine Kontrolle. Und der Kontrolleur teilt ihm mit, ein Billett könne nicht nachträglich bezogen werden, Corona-bedingt. Erwin beharrt auf dem, was er auf dem Plakat gelesen hat. Die beiden streiten. Irgendwann sagt Erwin «Arschloch». Und landet deshalb vor Gericht, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet.

Unterschiedliche Aussagen von Kontrolleur und Rentner

Senior Erwin war nebst Beschimpfung auch wegen Drohung angeklagt. Er soll dem Kontrolleur gesagt haben, dieser würde dann noch eins auf die Nase bekommen. Am Bezirkgsgericht Brugg schildert Erwin seine Sicht der Dinge. Diese unterscheidet sich von den Aussagen des Kontrolleurs.

Er, Erwin, habe nicht gedroht. So etwas mache er nicht. Stattdessen sei er selber bedroht worden. Der Kontrolleur sei laut geworden, habe ihn «völlig unqualifiziert» beschimpft, sei einen Schritt an ihn herangetreten, habe ihn hasserfüllt angeschaut, ohne Maske, ohne den nötigen Sicherheitsabstand. Während er, Erwin, nur dagesessen sei.

«Arschloch» kam von Herzen

Als ihm der Kontrolleur mitteilte, dass er ihn bei der Ankunft am Bahnhof Brugg zum Billettschalter begleitet, habe er gesagt, «dann gibt es mir am Schluss wohl eins auf die Nase».

Ja, er habe das Wort «Arschloch» gebraucht, gibt Erwin nun diese Woche zu. Allerdings erst beim Aussteigen, und nur einmal. Dafür sei es von Herzen gekommen. «Also, Sie Arschloch, kommen Sie», habe er gesagt. «Dazu stehe ich», zitiert die «Aargauer Zeitung» den Beschuldigten.

Kontrolleur liess sich vertreten

Auch ein Jahr nach dem Vorfall ist Erwins Wut nicht verschwunden. Der Kontrolleur sei ein selbstherrlicher Profilneurotiker gewesen, habe zeigen müssen, dass er der Chef sei, wettert der Rentner im Gerichtssaal. Und überhaupt sei es unverständlich, dass es in den Postautos keine Billettautomaten gebe, dann wäre die ganze Situation nämlich nie passiert.

Der besagte Kontrolleur war nicht an der Gerichtsverhandlung. Er liess sich mit einem Arztzeugnis entschuldigen. Stattdessen sagte ein Arbeitskollege aus, der ebenfalls auf der Fahrt dabei war. Der Fahrgast sei sehr aufgewühlt gewesen, habe den Kollegen mit Schimpfwörtern eingedeckt und ihm gesagt, es gebe eins auf die Nase. Sein Kollege habe daraufhin die Polizei gerufen. Diese nahm Erwin am Bahnhof Brugg in Empfang. Die beiden Kontrolleure hätten den Vorfall danach direkt «ad acta» gelegt. «Das Leben geht weiter», wird der Berufskollege zitiert.

Seufzend 1140 Franken bezahlt

Während Erwin die Aussagen hörte, schüttelte er mehrmals den Kopf. Er seufzte, murmelte, sprach von einem abgekarteten Spiel. Wahnsinn sei das, aber was solle er machen.

Das Gericht sprach Erwin vom Vorwurf der Drohung frei. Der Kontrolleur habe bei der Befragung durch die Polizei ausgesagt, nicht in Angst und Schrecken versetzt worden zu sein. Schuldig gesprochen wird der Rentner wegen Beschimpfung. Erwin wurde zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu 40 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt. Zahlen muss er eine sogenannte Verbindungsbusse von 160 Franken sowie je die Hälfte der Anklagegebühr und der Gerichtsgebühr – alles in allem 1140 Franken.

Gerichtspräsident Sandro Rossi belehrte danach den Angeklagten. Das sei ein happiger Betrag für eine Bemerkung, die leicht vermeidbar gewesen wäre, da sie ja erst beim Aussteigen gefallen sei. Der Beschuldigte müsse sich selber an der Nase nehmen. Als Tipp gab ihm Rossi eine alte Funker-Regel mit auf den Weg: «DDSS – denken, drücken, schlucken, sprechen.» (vof)

*Name geändert

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