Hunderte Teilnehmer an Corona-Demo in Wohlen AG
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Viele ohne Masken:Hunderte Teilnehmer an Corona-Demo in Wohlen AG

2500 Teilnehmer an Corona-Demo in Wohlen
Keine Chance für Polizei, Maskenpflicht durchzusetzen

In Wohlen AG demonstrieren am Samstag über 2500 Menschen gegen die Corona-Massnahmen. Die Maskenpflicht wird nur teilweise eingehalten. Möglichkeiten, die Einhaltung der Corona-Vorschrift bei solchen Massen-Events zu forcieren, gibt es für die Polizei kaum.
Publiziert: 20.02.2021 um 13:28 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2021 um 16:22 Uhr
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Die Teilnehmer der Corona-Demo versammeln sich in Wohlen AG auf der Strasse.
Foto: BLICKS
Fabian Vogt

Dienstagabend, 16. Februar 2021, Waltenschwil AG: Mehrere Personen treffen sich im Haus von Armin F.*, um über Corona-Regeln zu reden. Sie machen es heimlich und unter grössten Vorsichtsmassnahmen. Teilnehmer werden gebeten, die Handys auszuschalten oder gleich zu Hause zu lassen. Es sind Skeptiker, Kritiker des Bundesrats, denen die derzeitigen Regeln zuwider und viel zu hart sind. Rund 15 Menschen sind versammelt, ein klarer Verstoss gegen die Corona-Auflagen, die nur 5 Personen erlauben. BLICK weiss: Die Regionalpolizei Wohlen fährt vor, will das Treffen beenden. Hausbesitzer F. schreit «hier gibt’s kein Corona», verlangt einen Durchsuchungsbefehl. Den brauchen die Polizisten in dem Fall eigentlich nicht, die Staatsanwaltschaft oder die Kantonsärztin könnten über das Betreten des Hauses verfügen. Die Polizisten entscheiden aber, nichts von beidem zu tun, sie betreten das Haus nicht, schreiben stattdessen einige Autonummern auf und wollen die Teilnehmer im Nachhinein verzeigen, wie die Kantonspolizei Aargau auf BLICK-Anfrage sagt. Unklar ist, woher die Polizei wissen will, wer vor Ort war.

2500 Menschen in Wohlen


Samstagnachmittag, 20. Februar 2021: Der Verein «Stiller Protest» organisiert eine bewilligte Corona-Demonstration in Wohlen AG. Sie ist ein riesiger Erfolg für die Veranstalter. Begonnen haben sie im November mit 50 Mitstreitern, bei ihrem nun fünften Protestmarsch zählen die Organisatoren 2500 Teilnehmer. Offizielle Zahlen gibt es noch keine, aber die Eindrücke vor Ort deuten darauf hin, dass die Veranstalter nur gering übertrieben haben dürften.

Am bisher schönsten Samstag des Jahres treffen sich Gleichgesinnte, um friedlich gegen die ihrer Meinung nach zu harten Corona-Massnahmen des Bundesrats zu protestieren. Sie warnen vor Depressionen und häuslicher Gewalt, erzwungenen Jobverlusten, können nicht verstehen, «warum 97 Prozent leiden müssen, um 3 Prozent zu helfen». Viele Teilnehmer tragen weisse Schutzwesten und Schilder, die ihre Anliegen visualisieren. «Free Switzerland» steht auf einem, «Lasst die Kinder in Ruhe» auf einem anderen. Gesundheitsminister Alain Berset (48) wird oft kritisiert, die Medien auch, die Impfpflicht sowieso. Die Menschen vor Ort scheinen gegen alles und jeden zu sein der ihre Freiheiten einschränkt, am meisten stört die Maskenpflicht.

Maskenpflicht wird nicht durchgesetzt

Entsprechend verzichten auch unzählige darauf, ihre anzuziehen. Die Veranstalter machen mehrmals darauf aufmerksam, dass dies eine Voraussetzung für die Durchführung der Demonstration sei. Doch kaum jemand hört hin, weshalb auch, wenn die Masken der eigenen Meinung nach ohnehin nichts gegen Corona nützen.

Diese Meinung darf eine Privatperson sicher haben, auch Daniel Koch (65) als Vertreter des BAG glaubte lange daran. Doch die Bewilligung für die Demo gab es nur unter der Auflage, dass eine Maskenpflicht vom Veranstalter durchgesetzt werden muss. Im Vorfeld kündigte die Kantonspolizei Aargau an, Personen ohne Maske aufzufordern, eine anzuziehen oder die Veranstaltung zu verlassen. Dazu kommt es nicht. Schon zu Beginn der Demonstration, als die ersten hundert Personen eintreffen, kapituliert die Polizei. Sie sagt zu BLICK, man werde den Versammlungsort nicht betreten, das sei unverhältnismässig. Die Demonstranten geniessen die Freiheiten, die Organisatoren danken der Polizei für die «gute Zusammenarbeit» und dass man «hier in Ruhe gelassen» werde.

«Wir stehen im Clinch»

«Eingreifen wäre unverhältnismässig gewesen»
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Polizeisprecherin zu Wohlen:«Eingreifen wäre unverhältnismässig gewesen»

Als die Demonstration ihrem Ende zu geht, sagt eine Polizeisprecherin zu BLICK. «Ja, es kam zu Verstössen gegen die Covid-Verordnung. Wir stehen bei solchen Veranstaltungen jeweils im Clinch, das Recht durchzusetzen und die Verhältnismässigkeit zu achten. Es hätte Unmengen an Polizisten gebraucht, zudem war es friedlich.»

Es ist schwierig für die Behörden. Auf der einen Seite erklären Wissenschaftler seit Monaten, Masken und Abstandhalten helfen gegen das Virus. Massenveranstaltungen werden häufig zu Superspreader-Events, nirgends kann sich das Virus so gut verbreiten, wie wenn viele Menschen auf engem Raum ohne Schutz beisammen sind. Auf der anderen Seite hat man die Demonstranten, die nicht an diese Dinge glauben und damit ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrnehmen. Hätte man das Haus in Waltenschwil – in dem gemäss BLICK-Informationen die Demo in Wohlen mitgeplant wurde – stürmen sollen, weil gegen das Versammlungsverbot verstossen wurde? Und was macht man bei 2500 Menschen wie in Wohlen? Um dort kontrollieren zu können, hat die Polizei schlichtweg nicht genügend Personal. Zudem droht die rasche Eskalation eines eigentlich friedlichen Anlasses.

Eine zufriedenstellende Lösung gibt es nicht. Jeder kämpft auf seine Weise gegen das Virus. Hoffnung macht: Auch wenn die Motive völlig unterschiedlich sind, das Ziel ist für alle gleich: Das Virus besiegen und zurück zur Normalität gelangen. Je schneller, je besser.

* Name geändert


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