Bauarbeiter wollte Rentner aus Aare retten und ertrank selbst – jetzt spricht sein Neffe
«Paulin ist als Held gestorben»

Seit 22 Jahren lebte Paulin Tay Fatondji (†41) in der Schweiz. Doch dann stürzte in Winznau SO ein Rentner (†93) vor seinen Augen in die Aare. Selbstlos sprang der Bauarbeiter hinterher – und starb dabei.
Publiziert: 06.04.2022 um 00:37 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2022 um 10:16 Uhr
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Er wollte den Rentner, der in Winznau SO in die Aare stürzte, retten und ertrank selber: Paulin Tay Fatondji (†41). Die Angehörigen haben Blick erlaubt, seinen Namen zu veröffentlichen und sein Bild zu zeigen.
Foto: zVg
Ralph Donghi

Ein Herz mit Rosen, zwei Kerzen und die Flagge des westafrikanischen Staats Togo. Das ist alles, was an der Aare in Winznau SO an das Drama vom 22. März erinnert.

Es war kurz nach 13 Uhr an jenem Dienstag, als ein Rentner (†93) auf seinem Elektromobil ein auf dem nördlichen Uferweg abgestelltes Firmenfahrzeug umfahren wollte. Im Bereich der steilen Böschung geriet er in Schieflage – und stürzte samt Gefährt in die Aare. Ein Bauarbeiter sprang hinterher und wollte den Senior retten. Vergebens. Am Ende ertranken beide und konnten nur noch tot aus der Aare geborgen werden.

«Er wollte irgendwann eine Familie gründen»

Blick-Recherchen zeigen: Beim Bauarbeiter, der sein eigenes Leben riskierte und verlor, handelt es sich um Paulin Tay Fatondji (†41) aus Grenchen SO. «Ja, es war mein Onkel, der selbstlos ins Wasser sprang und den Rentner retten wollte», bestätigt Serge Messan (26) traurig. Für den Rayonleiter eines Licht- und Beleuchtungsgeschäfts aus Sion VS ist klar: «Paulin ist als Held gestorben.»

Dabei habe sein Onkel, der seit 22 Jahren in der Schweiz lebte und den Schweizer Pass hatte, noch so viel im Leben vorgehabt, so Messan. «Paulin wollte weiterhin als Elektriker in der Schweiz hart arbeiten, irgendwann eine Familie gründen und schliesslich in sein Heimatland Togo zurückkehren und dort die Pension geniessen.»

Der Bauarbeiter sprang sofort hinterher

Doch dazu kommt es nicht. In Winznau wird sein Leben jäh beendet. «Wir wissen nur, dass Paulin dort gerade arbeitete und dass der Rentner beim Umfahren der Baustelle ins Wasser stürzte», sagt Messan. Sein Onkel sei sofort in den Arbeitskleidern hinterher gesprungen. «In dem Moment dachte er wohl nicht daran, dass er nicht schwimmen kann. Und wohl auch nicht, dass das Wasser eiskalt war. Er muss dann wohl in Panik geraten sein.»

Die Baustelle war zum Unfallzeitpunkt als solche gekennzeichnet, Spaziergänger konnten neben dem Firmenfahrzeug vorbeigehen. Laut der Kantonspolizei Solothurn wollte der Rentner auf seinem Elektromobil «das auf dem Uferweg abgestellte Firmenfahrzeug rechts umfahren».

Staatsanwaltschaft eröffnete «kein Strafverfahren»

Da stellt sich die Frage: Hätte der Senior nicht besser einen anderen Weg nehmen sollen? Seine Frau, die mit ihrem Elektromobil dabei war, wollte sich gegenüber Blick nicht zum tragischen Unfall äussern.

Die Witwe und auch die anderen Bauarbeiter dürften bezüglich möglicher Fahrlässigkeit jedoch nichts zu befürchten haben. «Wir haben in dieser Angelegenheit kein Strafverfahren eröffnet», sagt Sophie Baumgartner von der Solothurner Staatsanwaltschaft zu Blick. Es handle sich «nach dem bisherigen Kenntnisstand um einen Unfall, der sich infolge einer Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände ereignete».

«Wir werden Paulin ewig vermissen»

Derweil ist die Trauer bei den Angehörigen von Paulin Tay Fatondji riesig. «Wir können immer noch nicht fassen, dass er nicht mehr da ist», sagt Serge Messan. «Paulin war immer fröhlich, hatte es mit allen Leuten gut und war immer so hilfsbereit.» In seiner Freizeit habe er Fussball gespielt oder sei gern essen gegangen.

Paulin Tay Fatondji hinterlässt fünf Geschwister. Seine Eltern sind bereits verstorben. Seine letzte Ruhe findet er in Lomé, der Hauptstadt von Togo. Neffe Serge Messan: «Wir werden Paulin ewig vermissen.»

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