Ob in Gstaad, Grindelwald oder Brienz: Im Berner Oberland besitzen die Reichsten der Reichen dieser Welt unzählige zu grosse Liegenschaften und Tausende Quadratmeter Land. Und das, obwohl das «Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland» – auch Lex Koller genannt – den Ausverkauf von Schweizer Boden an Ausländer seit 1985 stark einschränkt.
Blick-Recherchen zeigen jetzt: Die Gemeinden und der Kanton Bern setzen das Bundesgesetz in vielen Fällen einfach ausser Kraft. Indem sie bei Bewilligungen beide Augen zudrücken, Ausnahmen zur Regel werden lassen und Auflagen gegenüber Erwerbern von Grundstücken nicht kontrollieren.
Im Kanton Bern ist es Ausländern, wie in 17 weiteren Tourismus-Kantonen, zwar nicht grundsätzlich verboten, ein Ferienhaus zu kaufen. Doch es gelten strenge Auflagen: So darf ein Ausländer maximal ein Grundstück kaufen. Dieses darf zudem nicht grösser als 1000 Quadratmeter sein und die Nettowohnfläche des Gebäudes, das darauf gebaut werden soll, darf 200 Quadratmeter nicht überschreiten.
Wenn ein Grundstück zu gross ist, hat der Käufer Glück
Der schwerreiche Russe Maxim Demin (51) musste sich allerdings nicht daran halten. Der Besitzer des englischen Fussballklubs AFC Bournemouth besitzt in Gstaad seit 2018 ein Grundstück mit 1232 Quadratmeter Fläche. 232 Quadratmeter zu gross. Trotzdem bewilligte der Regierungsstatthalter fürs Obersimmental-Saanen, Michael Teuscher (SVP), diesen Kauf. «Es hätte keinen Sinn ergeben, das Grundstück wegen 232 Quadratmetern zu verkleinern. Dies galt für uns als Nachweis für den Mehrbedarf», sagt er zu Blick.
Liest man das neuste Bundesgerichtsurteil, das sich mit der Frage über den Nachweis eines Mehrbedarfs bei Lex-Koller-Bewilligungen beschäftigt hat, wird klar: Teuscher legt das Gesetz viel zu lasch aus. Das Bundesgericht ist da nämlich wesentlich strenger: Es verwehrte 2020 einer Deutschen den Mehrbedarf von 80 Quadratmeter Nettowohnfläche in Graubünden, weil sie nicht glaubhaft darlegen konnte, warum sie diese tatsächlich braucht. So heisst es im Urteil ganz klar, die Käuferin hat nachzuweisen, «dass der Verwendungszweck eine grössere Fläche erfordert und zwar aufgrund ihrer Situation und ihrer Bedürfnisse.»
Für Teuscher reicht hingegen nur schon der Fakt, dass eine Parzelle dummerweise zu gross ist, um den Mehrbedarf damit zu begründen.
Omanischer Zentralbanker darf alles
Auch Mohammed bin Saud bin Salim Bahwan al-Mukhaini – ein Scheich aus dem Oman – durfte sich über die extreme Nachsichtigkeit von Teuscher freuen. Bahwan gilt als eine der einflussreichsten Wirtschaftsgrössen im Oman, ist Mitglied in der Führung der Zentralbank des Wüstenstaates und zählt laut «Forbes» zu den reichsten Menschen der Welt.
In Gstaad bewilligte ihm Teuscher 2017 den Kauf eines 2000 Quadratmeter grossen Grundstücks. Gemäss der Lex Koller 1000 Quadratmeter zu gross. Wie war das möglich? «Zum Zeitpunkt des Kaufes hatte der Mann eine Niederlassungsbewilligung B. Da er angab, das Grundstück als Hauptwohnsitz zu nutzen, war das nicht bewilligungspflichtig», so Teuscher.
Als Hauptwohnsitz gilt, wenn sich der Eigentümer die meiste Zeit im Jahr dort aufhält, sich in der Gemeinde integriert und beispielsweise Mitglied in einem Verein ist. Dann darf er für sich selber eine Liegenschaft kaufen und ist nicht der Lex Koller unterstellt. Ein Besuch vor Ort zeigt aber: Das Chalet wirkt unbewohnt, zudem scheint es wenig glaubhaft, dass ein omanischer Zentralbanker dauerhaft in der Schweiz seinen Wohnsitz hat. «Das ist bei Weltbürgern halt anders – die sind sehr mobil», rechtfertigt Teuscher diesen Umstand.
Die Präsenz des omanischen Geschäftsmanns ist aber trotzdem unangenehm spürbar: Als ein Blick-Fotograf auf öffentlichem Grund Fotos von der Strasse und vom Haus von Bahwan schiessen will, wird er von einem Sicherheitsdienst, der rund um die Liegenschaft auf Patrouille ist, aggressiv weggeschickt.
Regierungsstatthalter Teuscher hätte das Geschäft aber auch aus einem anderen Grund nicht bewilligen dürfen: So besass der Scheich aus dem Oman seit 2014 schon ein anderes Haus in Gstaad. Die Lex Koller schliesst aber bei einer B-Bewilligung den Kauf eines zweiten Objekts in der Schweiz ausdrücklich aus. Erst, als Blick Regierungsstatthalter Teuscher damit konfrontiert, will dieser plötzlich herausgefunden haben, dass der Mann unterdessen keine B-, sondern eine C-Bewilligung besitzt. Ausländer mit dieser Bewilligung dürfen in der Schweiz uneingeschränkt Häuser kaufen.
Gesuchter «Bankster» hat in Grindelwald gekauft
Nicht nur in Gstaad können sich vermögende Ausländer mit Schweizer Grund und Boden eindecken. Auch in Grindelwald stehen ihnen alle Türen offen – und die Lex Koller wird für sie kräftig gebogen, wenn es sein muss.
So profitierte etwa der neuseeländische Banker Robert Paul Mora (53) vom ebenfalls sehr gutmütigen Regierungsstatthalter für die Region Interlaken-Oberhasli. Mora, der seit Februar 2021 von Interpol mit internationalem Haftbefehl gesucht wird, weil er einer der Drahtzieher der «Cum-Ex»-Bankenaffäre sein soll, kaufte in Grindelwald 2014 die historische Villa Flora. Das Grundstück ist 385 Quadratmeter zu gross, die Nettowohnfläche wird um mindestens 50 Quadratmeter überschritten.
Der stellvertretende Regierungsstatthalter, Sandro Wegmüller, hält die Sache aber nicht für widerrechtlich. «In der Praxis werden Grundstücksüberschreitungen bis 500 Quadratmeter und Nettowohnflächen bis 50 Quadratmeter ohne weiteres bewilligt», sagt er zu Blick. Die Käufer müssten einfach nachweisen, dass sie mehr Land benötigten. Und wie hat Mora das bei der Villa Flora nachgewiesen? Auch Wegmüller argumentiert lediglich mit dem Umstand, dass die Parzelle zwar zu gross sei, aber es keinen Sinn mache, sie nur wegen 385 Quadratmetern zu zerstückeln.
Keiner weiss, wie gross die Villa eines Deutschen Millionärs ist
Noch einfacher hatte es ein deutscher Multimillionär (67), der in Grindelwald versteckt in einem Wald eine Villa auf über 2000 Quadratmeter Land bauen durfte. Die Begründung hier: Es handle sich grösstenteils um Landwirtschaftsland in der Gefahrenzone, das könne er sowieso nicht bebauen. Über die Wohnfläche der Villa weiss der Regierungsstatthalter indes überhaupt nicht Bescheid. «Wir haben die Auflage gemacht, dass das Wohnhaus eine Nettowohnfläche von 180 Quadratmetern nicht übersteigen darf», sagt Wegmüller zu Blick. Kontrolliert wurde die Auflage vom Regierungsstatthalter aber nie.
Tatsächlich beträgt alleine die Bruttogeschossfläche des Hauses über 400 Quadratmeter – die Nettowohnfläche dürfte daher bei weit über 200 Quadratmetern liegen.
Russischer Industrieller vermietet widerrechtlich
Fehlende Baupläne: Das ist auch das Glück eines russischen Industriellen in Brienz. 2014 hat dieser dort für über zwei Millionen Franken zwei Parzellen mit total 1300 Quadratmeter Land direkt am Brienzersee gekauft. Über die Nettowohnfläche des Chalets weiss auch hier niemand Bescheid. Der vom Russen beauftragte Notar durfte dem Regierungsstatthalter eine Schätzung der Fläche vorlegen, weil die Baupläne der Liegenschaft «nicht mehr auffindbar» seien: Er gab 197 Quadratmeter Nettowohnfläche an. Dies bei einem Gebäude, das eine Bruttogeschossfläche von 580 Quadratmetern aufweist. Wie kann das stimmen? «Wir haben die Berechnungen nicht überprüft», räumt Wegmüller ein.
Die Behörden schauen beim Russen auch sonst nicht so genau hin. So ist ausländischen Besitzern untersagt, ihre Ferienhäuser ganzjährig zu vermieten. «Es muss innert zwei Jahren veräussert werden, falls es der Erwerber nicht mehr selber zu Ferienzwecken verwendet», heisst es in seiner Auflage.
Tatsächlich kann das Chalet am Brienzersee aber für rund 2300 Franken pro Woche ganzjährig auf interhome.com gebucht werden. Bei der Gemeinde Brienz weiss man davon. Doch ganzjährig vermietet werde es sicher nicht. «Im Winter will dort doch niemand in die Ferien, dann ist das kein schöner Ort», so der Bauverwalter zu Blick. Warum folglich der Russe ausgerechnet im Winter dort seine Ferien verbringen soll, kann man sich aber auch nicht so recht erklären.
Könnten reiche Ausländer ungehindert Grundstücke in der Schweiz kaufen, würden die Immobilienpreise hierzulande noch stärker durch die Decke gehen. Unter Druck kämen dann die Normalverdienenden in der Schweiz, die sich dann ein Eigenheim noch weniger leisten könnten – oder mit steigenden Mieten konfrontiert wären.
Darum wird seit 1961 der Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland reglementiert. 1985 trat das Gesetz in Kraft, das heute als «Lex Koller» bekannt ist – benannt nach dem Bundesrat, der Ende 90er Jahre eine Revision des Gesetzes vorangetrieben hatte. Das Gesetz hat ein Ziel: Ausländern, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben, den Zugang zum Immobilienmarkt in der Schweiz massiv zu erschweren.
Immer wieder gibt es Versuche, das Gesetz zu entschärfen. 2007 wollten es gar alle grossen Parteien und der Bundesrat ganz abschaffen. Der Anlauf scheiterte. Damals entstand im Ausland eine hohe Nachfrage nach Schweizer Grund und Boden – der Bundesrat sah ein, dass die Lex Koller «das derzeit einzige Instrument (ist), das die Nachfrage auf dem schweizerischen Immobilienmarkt zu dämpfen vermag».
Könnten reiche Ausländer ungehindert Grundstücke in der Schweiz kaufen, würden die Immobilienpreise hierzulande noch stärker durch die Decke gehen. Unter Druck kämen dann die Normalverdienenden in der Schweiz, die sich dann ein Eigenheim noch weniger leisten könnten – oder mit steigenden Mieten konfrontiert wären.
Darum wird seit 1961 der Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland reglementiert. 1985 trat das Gesetz in Kraft, das heute als «Lex Koller» bekannt ist – benannt nach dem Bundesrat, der Ende 90er Jahre eine Revision des Gesetzes vorangetrieben hatte. Das Gesetz hat ein Ziel: Ausländern, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben, den Zugang zum Immobilienmarkt in der Schweiz massiv zu erschweren.
Immer wieder gibt es Versuche, das Gesetz zu entschärfen. 2007 wollten es gar alle grossen Parteien und der Bundesrat ganz abschaffen. Der Anlauf scheiterte. Damals entstand im Ausland eine hohe Nachfrage nach Schweizer Grund und Boden – der Bundesrat sah ein, dass die Lex Koller «das derzeit einzige Instrument (ist), das die Nachfrage auf dem schweizerischen Immobilienmarkt zu dämpfen vermag».