Skandal im Aargau
Kantonspolizisten sollen Staatsanwälte ausspioniert haben

Vor einem Jahr wurden zwei leitende Staatsanwälte von der Aargauer Kantonspolizei angezeigt. Jetzt ist klar: Die beiden wurden von einem Polizeioffizier bespitzelt.
Publiziert: 11.06.2022 um 15:26 Uhr
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Vor einem Jahr zeigte die Kantonspolizei Aargau zwei Staatsanwälte an. Jetzt wurde bekannt: Ein Polizeioffizier soll sie ausspioniert haben.
Foto: Keystone/Ennio Leanza

Diese Vorwürfe haben es in sich: Vor einem Jahr zeigt die Aargauer Kantonspolizei zwei Staatsanwälte an. Jetzt wurde bekannt: Ein Polizeioffizier soll die zwei Staatsanwälte, gegen die ermittelt wurde, bespitzelt haben – und das alles ohne Ermittlungsauftrag oder ohne Genehmigung einer übergeordneten Stelle. Dies berichtet die «Aargauer Zeitung».

So liess sich der Kantonspolizist von seinen Spitzeln, beispielsweise einem Berufskollegen, der bei der Staatsanwaltschaft arbeitete, Informationen zuspielen. Doch damit nicht genug: Er soll sogar das Altpapier des einen Staatsanwalts durchsucht haben lassen. Ein Dokument des Staatsanwalts liess er gar als Beweismittel mitgehen.

Ankläger zieht Entscheid an Aargauer Obergericht weiter

Mit den erschlichenen Beweisen zeigte der Polizeioffizier die beiden Staatsanwälte dann an. Das zuständige Regierungsmitglied sowie der Polizeikommandant hatten aber nicht das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen. Die Geschichte hört sich nach einem Justizskandal in einem korrupten Land an. Sie hat sich aber im Aargau zugetragen – einem Kanton, in dem die Kantonspolizei zum ersten Mal Staatsanwälte angeklagt hat.

Nachdem die Anzeige von Roland V.* an den ausserordentlichen Staatsanwalt Marco Amstutz im Kanton Bern weitergeleitet wurde, folgte die Niederlage für V.: Amstutz sieht keinen Grund, die Vorwürfe gegen die leitenden Aargauer Staatsanwälte Simon Burger (SVP) und Barbara Loppacher (SP), weiterzuverfolgen. In einer 27-seitigen Verfügung zerlegte er die «Strafanzeige der Kantonspolizei Aargau» gegen die Staatsanwälte.

Das lässt der Ankläger aber nicht auf sich sitzen und zieht den Entscheid an die Beschwerdekammer des Aargauer Obergerichts weiter.

Zwischenbilanz zeigt vernichtendes Urteil für Kapo

Der Entscheid ist zwar noch nicht rechtsgültig – die Kantonspolizei und der Oberleutnant kommen aber schlecht weg. Eine Zwischenbilanz deutet auf ein potenziell vernichtendes Urteil hin. Auch das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) ist nun in die Bredouille geraten und muss sich den unangenehmen Fragen stellen.

In der Strafanzeige, die auch Dieter Egli (SP), Vorsteher des DVIs und Polizeikommandant Michael Leupold geschickt wurde, steht unter anderem, dass sich der Polizeioffizier Informationen in der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm zu eigen machte, um den Staatsanwalt Simon Burger zu belasten.

Unter den Informanten soll sich auch ein Kantonspolizist befunden haben, der zum Zeitpunkt der Schnüffeleien als Praktikant tätig gewesen war.

Informanten haben im Altpapier gegrübelt

Der Strafanzeige ist zu entnehmen, dass man weitere Ermittlungen als das Zusammentragen von Informationen «aufgrund von Befangenheit durch die Kantonspolizei Aargau» unterlassen habe.

Wie die Zeitung weiter schreibt, entspricht dies jedoch nicht den wahren Gegebenheiten. Angeblich sollen die Informanten auch das Altpapier der Anklagebehörde in Zofingen-Kulm durchforstet und daraus Ankläger Roland V. ein Dokument zugesteckt haben.

Staatsanwalt Burger stösst dies sauer auf: «Wie aus der Anzeige hervorgeht, wurde im Zuge der Ermittlungen mein Büro illegal durchsucht. Ich wurde bespitzelt und interne Mails wurden weitergeleitet oder abgefangen.» Genau solche Ermittlungsmethoden verabscheue er schon seit Jahren.

Burger beschuldigt die Kantonspolizei nun, die Ermittlungen auf eigene Faust und ohne offizielles Mandat durchgeführt zu haben. Auch die vorgesetzten Stellen hätten versagt. Burger zufolge seien sie über die Ermittlungen im Bild gewesen, hätten aber nichts dagegen unternommen.

Roland V.* streitet alles ab

Mit Verweis auf das laufende Verfahren will sich das DVI nicht konkret zum Vorfall äussern. Roland V. lässt sich über seinen Anwalt zitieren und weist die Vorwürfe, Dokumente der Staatsanwaltschaft zu eigen gemacht zu haben oder andere Personen dazu angestiftet zu haben, von sich.

Roland V. arbeitet inzwischen nicht mehr bei der Polizei. In seiner vor einem Jahr eingereichten Anzeige wirft er den Angezeigten – und insbesondere Simon Burger – diverse Straftaten aus dem Bereich der Amts- und Ehrdelikte vor. Burger soll systematisch Fehler der Polizei gesucht haben. Barbara Loppacher soll mitgeholfen haben, dem Oberleutnant beruflich zu schaden. Für alle Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. (dzc)

*Name geändert

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