Pascal K. (23) soll über 16 Jahre in den Knast – Opferanwalt spricht Klartext
«Er hat ihn regelrecht verrecken lassen»

Der zweite Prozesstag zum Mord am Bruggerberg fängt mit dem Plädoyer der Staatsanwältin an. Sie fordert für Pascal K., der seinen Freund Linus A. in einer Höhle lebendig begraben hat, 16 Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe. Zuvor soll er therapiert werden.
Publiziert: 18.10.2022 um 10:35 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2022 um 16:13 Uhr
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Der Angeklagte wird in den Gefangenenwagen verladen.
Foto: Ralph Donghi
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Ralph DonghiReporter News

Vor dem Bezirksgericht Brugg AG, das im Gebäude der mobilen Einsatzpolizei in Schafisheim AG tagt, wird seit Montag Pascal K.* (23) der Prozess gemacht. Der Aargauer ist unter anderem des Mordes angeklagt, weil er am 7. April 2019 seinen Freund Linus A.** (†24) lebendig in einer Höhle am Bruggerberg begraben haben soll – obwohl dieser noch um Hilfe schrie. Unfassbar: Danach machte sich K. bei der Höhle ein Feuer und brätelte einen Cervelat.

Der zweite Prozesstag startet – erneut ohne Anwesenheit des Beschuldigten – mit dem Plädoyer der Staatsanwältin. Sie beginnt mit den Worten: «Wie grauenhaft, beklemmend, unheimlich die Tat war, kann man eigentlich kaum beschreiben.»

Sie verweist auf die Aussagen des Beschuldigten, der auf die Frage, wie grauenhaft er die Tat zwischen 1 und 10 einstufe, sagte: «10, sehr grauenhaft.» Und auf die Frage, was, wenn er in der Höhle eingesperrt gewesen wäre? «Ich würde nur weinen und durchdrehen dort drin.»

«Wieso musste Linus A. sterben?»

Die Staatsanwältin stellt schon früh die entscheidende Frage: «Wieso musste Linus A. sterben?» Sie nimmt es vorweg: «Verstehen wird man diese Tat leider nicht.» Sie sei und bleibe «einfach nur sinnlos». Auch die Frage zu seinem Überlebenskampf, «will man sich eigentlich gar nicht stellen». Schliesslich blieb Linus A. «einfach nur das Erfrieren».

Der damalige IV-Empfänger soll laut Anklage eifersüchtig auf seinen Freund gewesen sein, weil dieser einen Job hatte. Zudem soll Linus A. ihm das Ende seiner Freundschaft angekündigt haben – weil er immer wieder Challenges machen musste. Bei einer solchen soll ihn Pascal K. bereits eine Woche vor der Tat bei einer Wanderung im Tessin in eine Schlucht geschubst haben.

Sein Verhalten sei «eiskalt» gewesen

Die Aussagen von K. seien wenig aufschlussreich gewesen, so die Staatsanwältin am Dienstag weiter. Er habe mehrheitlich gesagt: «Ich kann mich nicht erinnern.» Dies sei unglaubhaft und «schlicht Schutzbehauptungen». Der Beschuldigte warte jetzt einfach auf sein Urteil. Dabei sei sein Verhalten bei der Tat «eiskalt» gewesen. Er habe Linus A. lebendig begraben, ihn in «Hilflosigkeit, Einsamkeit und mit der verzweifelten Hoffnung auf Rettung» in der Höhle zurückgelassen.

Am ersten Prozesstag sprachen zuerst Familienmitglieder des Todesopfers. Sie schilderten eindrücklich und unter Tränen, wie sehr sie seit der Tat leiden. Im Anschluss erklärte der zuständige Gutachter, dass der Beschuldigte an ADHS leide, eine Persönlichkeitsstörung und lediglich einen IQ von 71 habe. Er sei nur sehr schwer therapierbar. Danach erzählte die zuständige Rechtsmedizinerin, wie Linus A. in der Höhle Schritt für Schritt erfrieren musste – bis er schliesslich starb.

Keine Reue, keine Entschuldigung

Pascal K. selber war am Montag nur kurz im Gerichtssaal – es seien ihm zu viele Leute hier. Deshalb wurde er in einem Nebenraum befragt und seine Aussagen per Videokamera in den Gerichtssaal übertragen. «Es geht ihm nervlich nicht gut», sagte sein Vater Felix K.* (60) zu Blick.

Zwar gab K. die Tat zu. Aber erklären konnte er sie nicht wirklich. «Ich weiss nicht, was mir damals durch den Kopf gegangen ist.» Von Reue oder eine Entschuldigung keine Spur. Beim Prozess kam raus: K. hat vor der Tat auch mal eine Stiftungsbetreuerin angegriffen und dieses Jahr in Haft einen Häftling mit einem Brotmesser im Gesicht verletzt.

Die Staatsanwältin fordert am Dienstag für Pascal K. eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren und vier Monaten. Zudem soll eine stationäre Massnahme angeordnet werden.

«Er hat ihn regelrecht verrecken lassen»

Der Vertreter der Opferfamilie beginnt sein Plädoyer mit den Worten, dass ihm diese fehlen, wenn er die Anklageschrift lese. Der Beschuldigte sei «berechnend, geplant, hinterhältig» und sein Vorgehen «abartig» gewesen. Linus A. sei in der Höhle lebendig begraben und eingeschlossen worden – von einem vermeintlichen Freund. Es komme ihm der Horrorfilm «Lebendig begraben» aus dem Jahre 1962 in den Sinn. Das Opfer habe keine Chance gehabt.

Dann entschuldigt sich der Anwalt für die folgenden Worte, aber sie seien wahr: «Der Beschuldigte hat ihn regelrecht elendiglich verrecken lassen.» Stunden später sei Linus A. wegen Unterkühlung gestorben. Er spricht direkt das Gericht an und sagt: «Bitte halten Sie diese Gräueltat vor Augen, wenn Sie in den nächsten Tagen ihr Urteil fällen.» Der Beschuldigte habe volle Einsicht in seine Taten gehabt. Er gebe keinerlei Beeinträchtigung seiner Schuldfähigkeit. Das alles mache die Tat noch viel schlimmer. Und, so der Anwalt der Opferfamilie: «Er sollte hier im Gerichtssaal sitzen und Verantwortung übernehmen. Für das, was er dem Opfer angetan hat.»

Was wirklich geschah, ist schwer zu sagen

Der Verteidiger von Pascal K. sagt zu Beginn seines Plädoyers: «Auch mir fehlen eigentlich die Worte zu dieser schrecklichen Tat.» Er könne nur die Worte seines Klienten wiederholen, dass die Tat «grässlich» sei.

Dennoch sieht der Rechtsanwalt beim vorgeworfenen Mordversuch bei einer Schlucht im Tessin keine Schuld bei seinem Klienten. Dieser habe sich in früheren Aussagen «nicht an einen Wutanfall» vor dem Absturz von Linus A. in die Schlucht erinnert. Vielmehr habe Pascal K. in der Schlusseinvernahme ausgesagt, «dass das Opfer dort zu weit rausgestanden» sei und er sich nicht vorstellen könne, «dass ich ihn geschubst habe».

Zudem hätte sich Linus A. eine Woche später nicht nochmals mit Pascal K. getroffen. Sein Fazit: Man könne heute nicht mehr rekonstruieren, was bei er Schlucht tatsächlich geschah. Man müsse deshalb davon ausgehen, dass Linus A. ausgerutscht sei. Deshalb fordert der Anwalt für diesen Vorwurf einen Freispruch.

«Es war nicht von langer Hand geplant»

Bezüglich der Tat am Bruggerberg sagt der Verteidiger von Pascal K., dass man aufgrund der verschiedenen Aussagen seines Klienten nicht mehr feststellen könne, welche seiner Aussagen heute richtig ist. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass sein Klient sich spontan entschloss, die Höhle zu schliessen – und zwar, als Linus A. schon drin war. «Es war nicht von langer Hand geplant», so der Verteidiger.

Pascal K. sei neidisch auf die Lebenssituation von Linus A. gewesen. «Neid» sei denn auch das Motiv gewesen. Indem er ihn der Höhle einschloss, habe sein Klient laut dessen Aussagen gewollt, dass Linus A. sich «genau so scheisse» fühlen sollte. Bei der Tat hätten auch die Impulskontrolle und die Bedürfnisbefriedigung seines Klienten eine Rolle gespielt. Klar, es sei «Mord» und Pascal K. habe «aus krassem Egoismus» gehandelt.

Aber: Es gäbe diverse strafmildernde Gründe. Unter anderem, dass sein Klient gleich nach der Festnahme ein umfassendes Geständnis abgelegt habe. Und dass er Reue zeige, soweit es seine Krankheit ADHS erlaube. Schliesslich müsse auch das jugendliche Alter des Beschuldigten berücksichtigt werden. Der Rechtsanwalt sieht für seinen Klienten eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren als angemessen. Zudem solle eine Massnahme für junge Erwachsene ausgesprochen werden.

«Es tut mir von tiefstem Herzen leid»

Schliesslich folgt noch das letzte Wort des Angeklagten. Aus einem Nebenraum des Gerichtssaals sagt Pascal K. in Hand- und Fussfesseln per Videoschaltung, im Beisein seines Anwalts und mit einem Zettel in der Hand: «Sehr geehrte Familie A. Es tut mir von tiefstem Herzen leid. Ich entschuldige mich bei der Familie, dass ich euren Sohn auf brutalste Art und Weise umgebracht habe. Ich vermisse ihn auch. Ich bereue es sehr und wünschte, dass ich die Zeit zurückdrehen könnte.»

Das Gericht will das Urteil am Donnerstag um 16 Uhr verkünden.

* Name bekannt
** Name geändert

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