Sommer 2019, Fricktal, Kanton Aargau. Dort lebt der Geschädigte mit seiner Ex-Freundin, bis es zu dramatischen Szenen kommt. Als er versucht, sie am Suizid zu hindern, rammt sie ihm stattdessen eine zweite Klinge in die Brust. Das Bezirksgericht Laufenburg warf der Deutschen beim ersten Prozess versuchte vorsätzliche Tötung vor, sie kassierte vier Jahre Haft und einen Landesverweis von fünf Jahren.
Doch die Frau zog das Urteil durch alle Instanzen weiter. Sie beteuert: Es war nur ein Unfall. Jetzt musste sich das Bundesgericht mit dem Fall beschäftigen, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet. Und kam zum selben Schluss wie die Vorinstanzen.
«Alles ausser Kontrolle geraten»
Die Situation damals war extrem: Ein Geräusch in der Küche bringt den Mann dazu, nach unten zu laufen. Dort findet er seine Ex-Freundin am Esstisch – mit einem Messer am Hals, von Schnittwunden übersät. Panisch versucht er, ihr das Messer zu entwenden. Dann passiert es: Sie rammt ihm ein zweites, 19 Zentimeter langes Messer in die Brust. Es grenzt an ein Wunder, dass er die Attacke überlebt.
Die Beschuldigte bleibt bei ihrer Aussage: «Nach seinem Eingriff ist alles ausser Kontrolle geraten.» Die Verletzung sei im Laufe einer dynamischen Auseinandersetzung passiert und daher fehle der entscheidende Vorsatz. Statt für versuchte vorsätzliche Tötung könne man sie nur für versuchte schwere Körperverletzung belangen. Dies würde eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten bedeuten.
Bewusst nach zweitem Messer gegriffen
Ihre Beschwerde wird vom Bundesgericht abgewiesen. Somit schliessen alle Instanzen einen Unfall aus. Die Beschuldigte habe erst im Laufe der Auseinandersetzung nach einem zweiten Messer gegriffen, um den Geschädigten zu attackieren. Zudem sei klar, dass das Todesrisiko bei einer Stichverletzung sehr hoch sei. Die Beschuldigte muss also seinen Tod zumindest in Kauf genommen haben, als sie auf ihren Ex eingestochen hat, berichtet die «Aargauer Zeitung».
Auch die Beweggründe stützen das Urteil des Gerichts. Die Trennung sei schon länger her gewesen. Doch der Beschuldigten habe nie ein Verlust des Arbeitsplatzes oder Wohnungsnot gedroht. Das Gericht erklärt auch den Abschiedsbrief und die vorherige Einnahme von Alkohol und Schmerzmittel der Frau für unzureichend. Auch wenn ein Suizidgedanke vorausgegangen sei, würde dies nicht das Wissen und das Wollen des Todes an ihrem Ex-Freund mindern. Und so bleibt es dabei: Die Frau muss für vier Jahre in Haft. (mgf)