Es ist der 10. Juni 2021. Ein 58-jähriger Mann und seine 47-jährige Freundin konsumieren gemeinsam Kokain. Es ist nicht das erste Mal, dass sie sich mit Drogen zudröhnen. Im Rausch sprechen die beiden über den Sohn der Frau, der indirekt in Missbrauchshandlungen einbezogen worden sein soll und der Mutter vor einiger Zeit weggenommen wurde. Dann fällt ihnen ein, dass in der Nähe ein verurteilter Sexualstraftäter wohnt. Sie schmieden einen perfiden Plan, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet.
Der Mann fährt zur Landi, kauft Klebeband und Kabelbinder. Im Anschluss fährt das Paar zur Wohnung des 87-jährigen Rentners, der neun Monate zuvor wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einer ambulanten Massnahme verurteilt wurde.
Das Paar, das später angeklagt wird, zieht sich Sturmhauben auf und stürmt in die Wohnung. Der Senior schaut gerade die Mittagsausgabe der «Tagesschau», die Türe steht offen.
Gefesselt und verprügelt
Die beiden Drögeler packen ihr Opfer und schleifen es in ein Reduit. Mit dem zuvor gekauften Klebeband und den Kabelbindern fesseln sie den Mann und schlagen auf ihn ein. Der ältere Herr erleidet Verletzungen im Gesicht, an den Armen und am Oberkörper.
Die Fotos der Verletzungen seien «nichts für schwache Nerven», sagt der Verteidiger der Angeklagten am Dienstag vor Gericht. «Sie wollten ihm einen Denkzettel verpassen, verhindern, dass er künftig noch einmal pädophile Handlungen vornimmt», erläutert er und ergänzt, die Tat sei aus menschlicher Sicht nachvollziehbar, rechtfertige aber noch lange keine Selbstjustiz.
Bosnierin darf in der Schweiz bleiben
Die beiden hatten nicht nur den Rentner verprügelt, sondern auch noch ein riesiges Chaos in der Wohnung hinterlassen sowie 40 Franken, ein Handy, ein Diktiergerät, zwei Fahrzeugschlüssel, ein Etui, Dartpfeile und eine Blechdose geklaut. In der Blechdose befinden sich persönliche Erinnerungen – Lehrverträge, Fotos, Zeugnisse.
Vor dem Bezirksgericht Kulm gesteht der Angeklagte eine einfache Körperverletzung und den Hausfriedensbruch – von Raub könne aber nicht die Rede sein, meint er. Er und seine Partnerin hätten dem Opfer die Gegenstände entwendet, um ihm das Leben schwer zu machen. Sie hätten sich daran nicht bereichern wollen.
Das Gericht spricht das Duo schuldig, unter anderem wegen einfacher Körperverletzung, Diebstahls und Hausfriedensbruchs. Der 58-Jährige wird zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, davon ein Jahr unbedingt.
Die 47-Jährige erhält eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Das Gericht ordnet für die Bosnierin ausserdem eine ambulante Massnahme an. Sie entgeht einer Landesverweisung von zehn Jahren und darf in der Schweiz bleiben. Die Täter müssen ihrem Opfer zudem Schadenersatz und Genugtuung in Höhe von rund 6200 Franken bezahlen. (nad)