Wie dreist ist das denn? Gewalttäter Amin T.* (35) haute vor etwas über einem Jahr in Aarau in Crocs aus einem Gefangenenfahrzeug ab. Die Polizei sucht ihn weiterhin. Inzwischen scheint der Tunesier ein glückliches Leben in Frankreich zu führen – und teils auch weiter in der Schweiz. Kurz: Er tanzt den Behörden auf der Nase herum.
Recherchen von Blick zeigen, dass T. wenige Monate nach seiner Flucht am 4. Oktober 2022 regelmässig unter einem anderen Namen Bilder und Videos in den sozialen Medien veröffentlicht. Er zeigt sich unter anderem in Paris. Vor dem Eiffelturm. In Schale. In Partylaune mit Freunden. In einem Whirlpool. Auch ein Bild ist zu sehen, auf dem ein riesiger Berg mit Euro-Bündeln präsentiert wird. Ob das Geld ihm gehört, ist unklar.
Ist er zwischendurch auch in der Schweiz?
Damit nicht genug: In einem Video filmt T. einen Tisch, auf dem ein Messer neben etlichen vorbereiteten Drogen-Portionen liegt. In einem anderen Film, den er am 24. Oktober dieses Jahres veröffentlicht, posiert er neben einem Fahrzeug mit AG-Kennzeichen. Er gestikuliert dabei mit beiden Mittelfingern und zeigt auf den Boden. Als würde er sagen wollen: «Hey, ihr könnt mich alle mal. Ich bin wieder hier.»
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Dies alles sind Seitenhiebe an die Behörden in der Schweiz, von denen T. zweimal – unter anderem wegen Drogenhandels – verurteilt wurde und zuletzt auch einen Landesverweis erhalten hatte. Aber auch an seine vier Opfer, die er hierzulande attackierte. Unter ihnen seine Ex-Frau (35), die er einmal schwer verletzt hat und mit der er drei gemeinsame Buben (4, 5 und 8) hat. Sie bestätigt Blick die neusten Recherchen, möchte aber wegen des laufenden Verfahrens «im Moment nichts dazu sagen». Aus ihrem Umfeld ist zu hören, dass nicht nur T., sondern neu auch sie per 18. Oktober 2023 die Schweiz hätte verlassen müssen. Obwohl sie arbeitswillig ist und einen Deutschkurs besucht. Ihre drei Kinder sind in der Schule voll integriert – müssen das Land gemäss Entscheid aber ebenfalls verlassen. Dagegen kämpft die Mutter mit einer Einsprache beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.
Amin T. soll Ex-Frau gedroht haben
Die Ex-Frau lebe mit den Kindern bereits seit über zehn Jahren im gleichen Zimmer in einer Asylunterkunft im Aargau, wo auch schon T. wohnte, sagt eine Freundin von ihr. Und: «Er hat sie seit seiner Flucht schon mehrfach telefonisch bedroht. Sie hat grosse Angst, dass er bei ihr auftaucht. Würde sie mit ihren Kindern nach Tunesien abgeschoben, müsste sie mit ihrem Tod rechnen.» Die Ex von T. wünsche sich eine eigene kleine Wohnung in der Schweiz, wo sie nicht gefunden wird. Doch die Behörden hätten ihr eine solche nicht geben können. Sie müsse nun auf den Entscheid aus Strassburg warten.
Ist der Tunesier, der seit 2014 illegal in der Schweiz lebte, straffällig wurde und erst 2019 in Haft genommen wurde, tatsächlich noch nicht gefasst? «Ja, dieser Mann wird immer noch gesucht und ist international ausgeschrieben», bestätigt Adrian Bieri von der Kantonspolizei Aargau. Ob sie bereits Hinweise erhalten hat, dass sich der Gesuchte in Frankreich oder teils gar wieder in der Schweiz aufhalten könnte? «Dazu können wir aus ermittlungstaktischen Gründen nichts sagen», so Bieri. Die gleiche Antwort gibt er auf die Frage, ob die Polizei bereits wisse, dass der Flüchtige in den sozialen Medien Hinweise auf seinen Aufenthaltsort gibt.
«Wenn es dringend ist, kann das sehr schnell gehen»
Die Frage stellt sich auch, was passiert, wenn ein Hinweis zu seinem Aufenthaltsort hereinkommt. «Jede Meldung wird zuerst geprüft, ob sie überhaupt stimmen kann», erklärt Kapo-Sprecher Bieri weiter. «Falls ja, wird dem Hinweis umgehend nachgegangen und allenfalls eine Patrouille vor Ort geschickt.»
Dies wäre auch der Fall, wenn sich der Gesuchte im Ausland aufhält. «In dem Fall werden wir, falls der Hinweis seriös ist, umgehend unsere Berufskollegen im Ausland informieren.» Die würden dann ebenfalls abklären, ob zum Beispiel der Hinweis auf eine Adresse stimmen kann. Dann werde auch dort ausgerückt und die Meldung überprüft. Bieri: «Wenn es dringend ist, kann das sehr schnell gehen. Ansonsten muss natürlich auch ein Rechtshilfegesuch an die Behörden im Ausland gestellt werden.» In diesem könne man – beziehungsweise die Staatsanwaltschaft – auch verlangen, dass die Polizei im Ausland sein Handy ortet, um ihn allenfalls dort festnehmen zu lassen.
Polizei schöpft sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten aus
Die Polizei stellt auch klar, dass sie auf jeden Fall daran interessiert sei, den Gesuchten wieder dingfest zu machen, sagt Bieri. «Dafür schöpfen wir sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten aus, die wir haben.»
Zur Ex-Frau des Gesuchten, die mit ihren Kindern jetzt Angst hat, kann Bieri aus Persönlichkeitsschutzgründen nichts sagen. Nur so viel: «Die Kantonspolizei Aargau arbeitet eng mit anderen Behörden zusammen und gibt ihr Möglichstes, dass auch Angehörige eines mutmasslichen Täters den nötigen und vertretbaren Schutz erhalten.»
Staatssekretariat für Migration äussert sich nicht zu Einzelfällen
Blick hätte gerne Antworten auf Fragen zu T., seiner Ex-Frau und ihren drei Kindern gehabt. Unter anderem auch darauf, warum diese Mutter, die wegen ihres Ex-Mannes in Gefahr ist, die Schweiz samt ihren integrierten Kindern verlassen muss. Dazu sagt Reto Kormann vom Staatssekretariat für Migration SEM in Bern: «Aus Daten- und Persönlichkeitsschutzgründen äussern wir uns zu Einzelfällen nicht.»
Bleibt zu hoffen, dass die Kapo Aargau ihre französischen Kollegen bereits über die Internet-Auftritte von T. informiert hat – oder dies noch tun wird.
Amin T. selber hat auf eine Interview-Anfrage von Blick bisher nicht reagiert.
* Name geändert
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