Ein 17-Jähriger schleicht sich nachts in ein nahes Nachbarhaus, attackiert die kleine Tochter (9) im Kinderzimmer. Genau diesen Horror erlebte gemäss Blick-Recherchen eine Familie aus dem Bezirk Baden AG. Adrian Schuler von der Aargauer Staatsanwaltschaft bestätigt ein Strafverfahren in diesem Fall. Weitere Fragen werden nicht beantwortet, weil Jugendstrafverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden.
Wollte er das Mädchen töten?
Der mutmassliche Täter: Tom P.* – ein Teenager, der in der Nachbarschaft wohnt. Aktuell ist er in einem Jugendheim für Straftäter untergebracht. Die Vorwürfe der Jugendanwaltschaft wiegen schwer. Sie ermittelt gegen P. wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und eventuell versuchter Vergewaltigung.
Passiert ist die Attacke in der Nacht auf den 2. September 2023. Die Familie, die anonym bleiben will, leidet bis heute unter den Geschehnissen. «Es ist für uns und unsere Tochter ganz schlimm. Denn es war auch noch unser Nachbarsbub», sagen Sofia (38) und Max T.* (40), die Eltern des Opfers Vanessa T. (heute 10), zu Blick.
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Zuvor war Tom P. im Ausgang
Blick liegen die Akten zum Fall vor, aus denen unter anderem hervorgeht, wie Täter und Opfer die Tat schildern. Tom P. war in jener Nacht im Ausgang, hatte «gesoffen», mit Kollegen über Mutproben gesprochen und lief gegen 3.45 Uhr heimwärts, wie er bei der Einvernahme aussagt. Der junge Schweizer kommt am Haus der Familie T. vorbei – und hält an. Es sei seine «eigene Idee» gewesen, ins Haus zu gehen und sich umzuschauen. Er gelangt über die offene Seitentüre der Garage hinein.
Dann geht er in den oberen Stock. «Ich ging in irgendein Zimmer», sagt Tom P. aus. Er habe in eines gehen wollen, das kein Schlafzimmer sei. Er habe nicht gewusst, dass es sich dabei um das Zimmer von Vanessa handelt. Die weisse Türe sei einen Spalt weit offen gewesen. «Ich machte einfach auf.» Es sei dunkel gewesen. Deshalb habe er sein Handy rausnehmen wollen, um Licht zu machen. Er hört, dass dabei etwas auf den Boden fällt. «Wahrscheinlich war es mein Messer, das in einer Hosentasche war. Da wachte sie auf», sagt er in der Befragung.
«Dann machte ich das Zeugs mit dem Würgen»
Nach eigenen Angaben wollte er weglaufen, da sei Vanessa aufgestanden und habe gefragt, wer da sei. Er habe befürchtet, sie würde schreien. «Dann machte ich das ganze Zeugs mit dem Würgen», gab Tom P. in der Einvernehmung zu Protokoll. Blick verzichtet auf die Nennung von Details. Später wird festgestellt, dass für Vanessa T. Lebensgefahr bestand.
Die Mutter wird wach, weil sie Vanessa «röcheln» hört. Sie öffnet die wieder zugezogene Türe und sieht eine dunkel gekleidete Person bei ihrer Tochter. Tom P. läuft sofort davon. Auch der Vater von Vanessa wird wach. Tom P. versteckt sich zuerst in der Garage, flüchtet dann in den Wald.
Messer, Portemonnaie und Kondom liegengelassen
Die Polizei kommt und sichert Spuren. Ein leichtes Spiel: Tom P. hat nicht nur sein Klappmesser, sondern auch sein Portemonnaie im Zimmer verloren. Auch ein verpacktes Kondom liegt auf dem Boden – weit entfernt vom Portemonnaie.
Später sagt Tom P., dass er das Kondom in den Ausgang mitgenommen und das Messer oft zur Verteidigung bei sich habe. Als er am frühen Morgen schliesslich nach Hause kommt, wird er verhaftet.
Armbrust mit Pfeil sichergestellt
In seinem Zimmer werden eine Armbrust mit Pfeil und teils gefüllte Methadon-Flaschen gefunden – zudem zwei grosse Schutzmasken mit Filterteilen. Tom P. sagt, er habe die Sachen bei einem verlassenen Haus gefunden.
Vanessa T. erleidet Schürfungen. Am Hals sind deutlich Würgemale zu sehen. Tom P. sagt aus, er habe einen Kampfsportgriff an ihr ausüben wollen, damit sie für ein paar Sekunden in Ohnmacht falle und er das Zimmer unerkannt hätte verlassen können. Von einem möglichen Sexualdelikt will er nichts wissen. Er habe sie auch nicht umbringen wollen.
«Ich habe fast gedacht, jetzt ist fertig»
Vanessa T. erzählt in ihrer Einvernahme, dass sie geschlafen – und plötzlich auf dem Boden gelegen habe. Sie sei «mega erschrocken» und habe die Person nicht erkannt. Sie habe während des Würgens immer wieder versucht, zu atmen und sich gewehrt: «Ich habe fast gedacht, jetzt ist fertig.» Sie weiss nicht mehr, ob Tom P. sie an anderen Orten angefasst hat. Der mutmassliche Täter soll ihr aber teils auch Mund und Nase zugehalten haben.
Gekannt haben sich die beiden nur flüchtig, sagen sie aus. Einzig an einem Anlass habe Tom P. zu ihr mal «Hallo, meine Lieblingsnachbarin» gesagt. Tom P. will nicht aussagen, ob er schon mal ins Haus der Familie T. eingeschlichen ist. Auch nicht, ob ihm die Sache leidtut.
«Hoffentlich kommt er nie mehr zurück ins Quartier»
«Besonders schlimm ist, dass er nicht richtig reuig ist», sagen die Eltern von Vanessa T. «Er gibt nur das Würgen zu.» Ihre Tochter brauche heute noch psychologische Hilfe. Sie hoffen auf eine gerechte Strafe – und «dass er nie mehr zurück ins Quartier kommt».
Die Eltern von Tom P. wollten gegenüber Blick keine Stellung zum Fall nehmen. Für ihren Sohn gilt die Unschuldsvermutung.
* Namen geändert
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